Dunkel ueber Longmont
Stöcken wurde, das seine Mörder zur Strecke brachte.
Oder was war mit den gewaltigen »Steinmenschen«, die, wie manche sich erzählten, durch diese Wälder streiften? Wesen, die manchmal bis an den Waldrand kamen und von dort nachdenklich nach Süden blickten?
Und warum hatten die alten Duskiner diese Wälder geteilt und so die Schlucht des Leidens geschaffen, diesen gewaltigen Riß im Gefüge der Welt? Und aus welchem Grund hatten sie die legendären Sieben Aufrechten Steine des Dunnwaldes aufgestellt, die die Welt ›aufrecht hielten‹?
Es hatte eine Zeit gegeben, vor Jahrhunderten, wie man sagte, als diese Wälder die Menschen mehr liebten als jetzt.
Eine Zeit, als die Menschen sie nach Belieben durchqueren konnten. Jetzt hatte sich eine Stille, eine Schwere unter den Bäumen breitgemacht, als sei der Wald selbst erzürnt und als erwöge er Rache gegen so viele ungebetene Soldaten. Mit Sicherheit würden die Hitze der Flammenweber, die eisenbeschlagenen Hufe der Pferde, die große Zahl der Männer und Riesen einigen Schaden anrichten.
Raj Ahtens Aufmarsch hatte nichts mit den eher vornehmen Jagdgesellschaften gemein, die König Sylvarresta gab und für die der Wald zuvor um Erlaubnis gefragt und ihm das Anpflanzen von Bäumen angeboten wurde. Sylvarrestas Männer brachten ihr eigenes Feuerholz mit und erflehten den Segen von Binnesman, dem Erdwächter, bevor sie in den Wald eindrangen.
Dieser Aufmarsch Raj Ahtens kam eher einer Vergewaltigung gleich. Aber wie konnte sich der Wald wehren?
In dieser Nacht waren die Eulen verstummt, und zweimal hatte
Gaborn
Hirsche
zwischen
den
Bäumen
hindurchspringen sehen, die ihr prächtiges Geweih hin und her schüttelten, als bereiteten sie sich auf einen Kampf vor.
Zu seiner Rechten zog die Armee. Ein Gefühl wie das spannungsgeladene Knistern eines sich zusammenbrauenden Unwetters machte sich unter den Bäumen breit.
Vielleicht ließ der Wald Äste auf die Männer herabfallen, überlegte Gaborn, oder das Laub verschlang sich zu einem festen Dach und legte einen Mantel der Finsternis über den Pfad der Armee. Vielleicht schnappten die Wurzeln nach den Hufen der Pferde und brachten sie zu Fall – auch wenn Gaborn dergleichen Dinge nur aus Märchen kannte.
Aber vermutlich konnte der Wald die Soldaten nicht aufhalten. Nicht, solange die Flammenweber anwesend waren, bereit, für derartige Vergeltungsmaßnahmen Rache zu üben. Nein, der Wald würde den Mißbrauch über sich ergehen lassen müssen.
Stundenlang ritt Gaborn unter den Bäumen her. während eine Schwermut sein Herz befiel, eine Mattigkeit seinen Verstand umnebelte. Es war eine süße Müdigkeit, wie sie der Genuß von gewürztem Wein mit sich bringt, während man an einem Feuer sitzt, oder wie ein von Rauschmitteln hervorgerufener Schlaf vom Mohnblütentrank eines Kräutersammlers.
Gaborn wurden die Lider schwer, und er glaubte, eine Rast verdient zu haben. Im Halbschlaf ritt er einen Kamm hinauf, um einen Gipfel herum und wieder hinunter in ein Tal, wo Brombeersträucher und Geäst jeden Weg versperrten.
Er wurde wütend, zog den Degen und spielte mit dem Gedanken, sich seinen Weg zwischen den Bäumen hindurch freizuschlagen, hielt dann aber inne, als er dicht vor sich Fluchen hörte und das Geräusch eines anderen, eines Mannes mit Rüstung, der sich durch das gleiche Dickicht hackte.
Fast zu spät erkannte er die Quelle der Gefahr. Jemand, den er auf seinem Ritt umgangen hatte.
Die Bäume. Sie stellten ihn auf die Probe, sandten dunkle, unsichtbare Ranken aus, um sein Herz und seinen Verstand zu erkunden.
Gaborn machte im schattigen Wald halt und verhielt sich vollkommen still. Weiter vorn sah er durch die Bäume eine von Raj Ahtens Patrouillen. Ein Dutzend Späher bahnte sich mit Klingen einen Weg durchs Unterholz. Sie zogen in Dunkelheit und Schatten vorüber. Gaborn traute sich nicht einmal zu atmen.
Er holte tief Luft und versuchte eine ganze Weile, seine Gedanken zu sammeln. Kein Leid, wollte er zum Wald sagen.
Ich will dir kein Leid zufügen.
Es kostete ihn seine ganze Willensstärke, einfach auf dem Pferd zu sitzen und nicht kopfüber in seinen Untergang hineinzureiten. Ihm brach der Schweiß auf der Stirn aus, seine Hände zitterten, und sein Atem ging in Stößen.
Ich bin dein Freund, wollte er sagen. Spüre mich. Stelle mich auf die Probe. Lange Zeit versuchte er, sich zu öffnen, sein Herz und seinen Verstand, und mit dem Wald in Verbindung zu treten.
Er spürte, wie sich
Weitere Kostenlose Bücher