Dunkel ueber Longmont
immer über einem der Opfer.
Ault warf seinen Dolch und traf den Meuchelmörder im Rücken. Ein gewöhnlicher Mann wäre zusammengebrochen.
Ein wütender Mann mit großem Durchhaltevermögen hätte sich umgedreht und vor Zorn getobt.
Was der Meuchelmörder jetzt tat, ließ Ault das Mark in den Knochen erstarren.
Der Meuchelmörder drehte sich um, ganz in einen schwarzen Kaftan und schwarze Baumwollhose gehüllt, derweil ein schwarzes Tuch sein Gesicht bedeckte. In seinem Ohr funkelte ein goldener Ring.
Er betrachtete Ault nachdenklich und mit tödlicher Entschlossenheit. Aults Herz raste. Er fragte sich, wie viele Gaben des Durchhaltevermögens ein Mann benötigte, um einen Dolch in seinem Rücken zu ignorieren.
Ein Dutzend Soldaten stürmte durch die zerborstene Tür in den Bergfried der Übereigner. Ault nahm einem toten Posten den Hammer ab.
Der Meuchelmörder blickte dem Kommandanten in die Augen, dann hob er die Hände. Mit starkem Akzent sagte er: »Barbar: so wie du diese Woge von Männern über mich hereinbrechen sehen wirst, so werden die Unbesiegbaren meines Lords über dich hereinbrechen!«
Damit waren Raj Ahtens Elitegruppen gemeint – Männer von großem Durchhaltevermögen, von denen jeder einzelne über wenigstens eine Gabe des Stoffwechsels verfügte. Der Meuchelmörder täuschte einen Angriff vor. Ault wußte jedoch, daß es eine Finte war. Der Mann hatte sich bis in den Bergfried der Übereigner durchgeschlagen, jetzt würde er weiter seiner Pflicht nachgehen und so viele Übereigner wie möglich töten.
Ault machte einen Satz nach vorn und holte mit dem Hammer aus, als der Meuchelmörder sich den Betten der Schlafenden zuwandte. Der Kriegshammer traf den Eindringling am Hals.
»Darauf würde ich an deiner Stelle keine Wetten abschließen«, erwiderte Ault ruhig.
König Sylvarresta spürte den Tod seiner Übereigner, als er die magische Verbindung zu ihnen zu verlieren begann. Es war ein Übelkeit erregendes Gefühl, einer kalten Schlange gleich, die sich durch sein Innerstes wand. Männer, die ihn mit Geisteskraft ausgestattet hatten, starben, und als Räume der Erinnerung sich für immer schlossen, überkam Sylvarresta plötzlich eine Leere.
Nie würde er erfahren, was er verloren hatte Erinnerungen an Freunde aus der Kindheit oder an ein Picknick im Wald, Erinnerungen an wichtige Schwertschläge, die er immer wieder mit seinem Vater eingeübt hatte, an einen vollkommenen Sonnenuntergang oder an den Kuß seiner Gemahlin.
Er spürte nur ein Gefühl des Losgerissenwerdens. Die Türen zu den Räumen seiner Erinnerung wurden zugeschlagen. Die Läden vor den Fenstern schlossen sich. Und in seinem Kopf entstand
ein
Augenblick
großer
Dunkelheit,
das
unverkennbare Gefühl des Verlustes.
Während er die Treppen hinabstürzte, um seine Übereigner, wenn nötig, eigenhändig zu beschützen, war ihm, als watete er durch ebendiese Dunkelheit.
Eine Minute darauf erreichte Sylvarresta den Innenhof der Übereigner und zählte seine Verluste. Zehn Posten tot, fünf verwundet. Und fünf Übereigner verloren.
Bei der Untersuchung der Leichen der Muyyatin-Meuchelmörder stellte er fest, daß jeder einzelne übermächtig gewesen war. Dem Anführer, den glücklicherweise ein Kessel an der Außenmauer erwischt hatte, waren über siebzig Runen in seine Haut eingebrannt worden. Viele andere hatten zwanzig Runen oder mehr, was sie Kommandant Derrow ebenbürtig machte.
Fünf seiner Übereigner waren tot. Zwei Herren, die Sylvarresta Geisteskraft zur Verfügung gestellt hatten, zwei, die dem König Sehkraft, und einer, der dem Weitseher des Königs Sehkraft verliehen hatte. Sylvarresta vermutete, daß die Blinden sich sehr wahrscheinlich vor dem Kamin Geschichten erzählt hatten und der Klang ihrer Stimmen die Idioten angelockt hatte.
Sylvarresta konnte noch von Glück sprechen, nachdem die Toten gezählt waren. Es hätte schlimmer kommen können.
Wäre es den Meuchelmördern gelungen, weiter in den Bergfried der Übereigner vorzudringen, hätte das verheerende Folgen gehabt.
Und doch kam Lord Sylvarresta nicht umhin, sich zu fragen, was er verloren hatte. Er hatte fünf Gaben der Geisteskraft von fünf Männern besessen. Jetzt hatte er vierzig Prozent all seiner Erinnerungen, seiner jahrelangen Studien verloren. Was hatte er fünf Minuten zuvor gewußt, an das er sich vielleicht in den nächsten Tagen unbedingt erinnern mußte…?
Er betrachtete die Toten nachdenklich. War dieser Überfall der
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