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Dunkel ueber Longmont

Dunkel ueber Longmont

Titel: Dunkel ueber Longmont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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sich aber zu bleiben. Er sah in Iomes Richtung, begegnete dem Blick der leidenden Dewynne und erwiderte ihn.
    Nichts sonst zählte in diesem Moment. Der König achtete weder auf seine Berater noch auf seinen Waffenmeister oder das
    weithin
    schallende
    Durcheinander
    der
    Kriegsvorbereitungen. In den Augen des Königs lag unendliche Liebe, unendliche Traurigkeit. Sein Blick verriet Dewynne, daß er wußte, was sie ihm gerade schenkte, daß sie wichtig war. Iome wußte, wie sehr ihr Vater es haßte, andere auszusaugen, um seine Untertanen zu beschützen.
    In dieser Sekunde schien in Dewynne irgend etwas vorzugehen, sie mußte den unumgänglichen Augenblick des Verlangens erreicht haben, jenen Augenblick, in dem die Übergabe der Eigenschaften stattfinden konnte. Das Knurren des Annektors ging in fordernde Rufe über, als sein Zauber in seiner vollen Kraft entfesselt wurde.
    Das weißglühende Blutmetall des Zwingeisens zitterte und wand sich wie eine Schlange in den Händen seines Meisters.
    Dewynne schrie unter unvorstellbaren Schmerzen auf. Etwas in ihr schien zusammenzubrechen – als drückte ein zermalmendes Gewicht auf sie herab oder als wäre sie geschrumpft, kleiner geworden.
    Der Geruch brennender Haare und versengter Haut stieg in feinen Kringeln auf.
    Dewynne krümmte sich, versuchte sich fortzuwinden. Der Unteroffizier, ein Mann von übermenschlicher Kraft, hielt sie fest.
    Die Amme wandte sich mit zusammengebissenen Zähnen von Lord Sylvarresta ab. Sie biß sich auf die Zungenspitze, Blut und Speichel tropften ihr vom Kinn.
    In diesem Augenblick glaubte Iome in den Augen der Frau allen Schmerz der Welt erkennen zu können.
    Dewynne
    brach
    bewußtlos
    zusammen.
    Alles
    Durchhaltevermögen war von ihr gewichen, und nun konnte sie die Augen nicht länger offenhalten und hatte den Anstrengungen des Lebens nichts mehr entgegenzusetzen.
    Statt dessen glühte die Blutmetallrune weiß und pulsierte.
    Der Annektor, ein schmalgesichtiger Mann mit einem langen, grauen Ziegenbart, betrachtete kurz die geschmolzene Rune, deren Licht sich in seinen schwarzen Augen widerspiegelte, dann verfiel er in einen Gesang der Freude und des Triumphes.
    Er hielt das Zwingeisen mit beiden Händen über seinen Kopf, schwenkte es, so daß eine Spur weißen Lichts, dem Schweif eines Meteors gleich, in der Luft hing. Er verblaßte jedoch nicht. Statt dessen stand das Lichtband greifbar in der Luft. Der Annektor betrachtete es behutsam, so als wollte er seine Breite, sein Gewicht abschätzen.
    Dann brach er in einen zirpenden Gesang aus und rannte, wobei er das Lichtband hinter sich herzog, zu Sylvarresta hinüber. Alle Anwesenden hielten inne. Niemand wagte es, dem Licht zu nahe zu kommen, denn dadurch riskierte man die Zerstörung der Verbindung, die genau in diesem Augenblick zwischen dem Lord und dem Übereigner hergestellt werden sollte.
    Beim Lord angekommen verbeugte sich der Annektor und legte das weißglühende Blutmetall unterhalb der Brust des Königs an. Dann wurde der Gesang des Annektors leiser, schmeichelnder, und langsam begann das kleine Zwingeisen in seiner Hand sich aufzulösen, wegzubröckeln und wie weiße Asche zu verwehen, während gleichzeitig die weiße Nabelschnur aus Licht erlosch.
    Iome hatte seit ihrer Kindheit keine Gabe eines Untertanen mehr entgegengenommen. Sie wußte nicht mehr, was für ein Gefühl das war. Aber ebenso wie das Abtreten einer Gabe beim Spender unsägliche Schmerzen verursachte, so empfand der Empfänger ein unbeschreibliches Glücksgefühl.
    Lord Sylvarrestas Augen weiteten sich, und Schweiß brach ihm aus. Doch das war der Glanz der Aufregung, einer fast närrischen, seligen Erregung. Seine Augen strahlten vor Freude, und jeder Zug seines Gesichts, jeder Muskel entspannte sich.
    Er besaß den Anstand, nicht zu seufzen, sein Vergnügen nicht allzu deutlich zu zeigen.
    In diesem Augenblick stellte sich Binnesman hastig neben Iome und beugte sich vor. Sein Atem roch nach Anis. Sein Gewand war tiefgrün und aus einer seltsamen Faser gewebt, die aussah wie zerstampfte Wurzeln. Es roch stark nach den reinen Kräutern und Gewürzen, die er in seinen Taschen aufbewahrte. In sein Haar war Gras geflochten. Mit seinen dicken, apfelroten Wangen war er zwar kein gutaussehender Mann, trotzdem hatte er etwas sexuell Anziehendes an sich.
    Iome konnte ihn nicht in ihrer Nähe haben, ohne Erregung zu empfinden, ein entschieden unangenehmes Gefühl. Aber Binnesman war ein Erdwächter, ein Zauberer von

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