Dunkel ueber Longmont
auf den Burgmauern waren bereit – Bogenschützen und Lanzenträger, Speerwerfer und Artillerie.
König Sylvarresta hatte Boten zu benachbarten Burgen entsandt und um Unterstützung gebeten.
Doch während der Rest der Burg Sylvarresta den Beginn der Feindseligkeiten erwartete, blieb im Bergfried der Übereigner, dem verborgensten und am besten geschützten Teil der Festung, noch viel zu tun.
Die Wände des Bergfrieds der Übereigner hallten von den Schmerzensschreien der Männer und Frauen wider, die ihrem Lord Gaben darbrachten. Zweihundert Diener und Untertanen Sylvarrestas waren zusammengekommen, um Gaben abzutreten. Während Sylvarrestas Oberster Annektor, Erin Hyde, die Zwingeisen bediente, gingen zwei seiner Lehrlinge prüfend zwischen den Freiwilligen umher und suchten diejenigen heraus, die genügend Körper-und Geisteskraft, Anmut oder Durchhaltevermögen besaßen, um die grausame Härte und die Kosten einer Übereignung von Gaben zu rechtfertigen. Denn wenn ein Lord nach Körperkraft verlangte, dann fand er sie am ehesten bei denen, die sie im Übermaß besaßen.
Ein Ratsmitglied fungierte als Berater für diejenigen, die das Glück hatten, die richtigen Eigenschaften aufzuweisen. Er half des Lesens und Schreibens unkundigen Bauern beim Ausfüllen von Verträgen, in denen als Gegenleistung für die Gaben Sylvarrestas lebenslanger Schutz und Beistand zugesichert wurde.
Unter jenen, die sich eingefunden hatten, um Gaben abzutreten, hielten sich auch die Gönner auf, diejenigen, die gekommen waren, um Freunden oder Verwandten, die schon kurze Zeit später entsetzlich verstümmelt würden, Trost zu spenden.
Und schließlich tummelten sich überall im Hof diejenigen, die ihrem Lord schon vor langer Zeit Gaben abgetreten hatten.
Der Bergfried der Übereigner beherbergte bereits an die fünfzehnhundert Übereigner, von denen die meisten gut genug auf den Beinen waren, um der Übereignungszeremonie beizuwohnen.
Iome kannte viele von ihnen gut, denn sie half oft bei der Betreuung alter Übereigner – des blinden Carrocks, eines ihrer Diener, der seine Augen geopfert hatte, des blödsinnigen Mordins, einst ihr Lehrer, der seine Geisteskraft hergegeben hatte – und pflegte die Tauben, Kränkelnden, Häßlichen und jene, die aus Schwäche ans Bett gefesselt waren. Hunderte und Aberhunderte – eine Armee von Gebrechlichen.
In der Mitte dieser Menschenmenge, im Innenhof der Burg, mit einem Blick so brennend wie die Sonne, so erhaben wie der nächtliche Himmel mit seinen Sternen, thronte Lord Sylvarresta persönlich auf einem grauen Fels inmitten eines Meeres aus Gras, die Waffen griffbereit, halb in Rüstung, die Brust nackt.
Wer noch immer darauf wartete, Gaben zu spenden, lag auf niedrigen Feldbetten und wartete darauf, daß Erin Hyde mit seinen Zaubern und Zwingeisen zu ihm kam.
Derweil wanderte zwischen denen, die bereits geopfert hatten, Lord Sylvarrestas oberster Arzt und Kräutersammler Binnesman umher. Er war klein, sein Rücken krumm, er trug ein grünes Gewand, und seine Hände waren von der Arbeit schmutzig. Mit seinem immerwährenden Lächeln im Gesicht sprach er zu den neuen Übereignern und spendete hier Trost oder ließ dort an einer Duftmedizin schnuppern.
Binnesmans Fertigkeiten waren entlang der Burgmauer sehr gefragt. Die Kraft seiner Kräuter war legendär: seine Teemischungen aus Borretsch, Ysop, Basilikum und anderen Gewürzen vermochten einem Krieger vor einer Schlacht Mut zu machen, verliehen ihm in der Auseinandersetzung Kraft und halfen später beim Verheilen der Wunden.
Doch obwohl er auf den Mauern gebraucht wurde, war seine Anwesenheit hier dringender, denn das Abtreten wichtiger Gaben konnte tödlich verlaufen. Ein großer, derber Kerl, der Lord Sylvarresta Muskelkraft überließ, konnte anschließend zusammenbrechen, weil er möglicherweise so sehr geschwächt war, daß sein Herz einen Augenblick lang aussetzte. Wer eine Gabe der Anmut abgetreten hatte, da er immer gelenkig gewesen war, wand sich unter Umständen plötzlich in Krämpfen, wurde steif wie ein Brett, während seine Lungen nicht in der Lage waren, gleichmäßig Atem zu schöpfen.
Im Augenblick konnte Binnesman nicht auf den Mauern helfen. Er mußte diejenigen am Leben erhalten, die Gaben abgetreten hatten. Sylvarresta hatte nur so lange etwas von den Gaben, solange der Spender nicht verstarb.
Iome selbst half bei den Vorbereitungen, während ihre Days tatenlos aus dem Schatten bei der Burgküche zusah.
Im
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