Dunkel ueber Longmont
kennenlernen«, versprach Gaborn.
»Unsere Väter wünschen eine politische Verbindung, ich dagegen habe mir eine Verbindung ähnlich denkender und empfindender Menschen gewünscht. Ihr werdet feststellen, Lady Sylvarresta, daß Ihr und ich uns… in vielen Punkten ähnlich sind.«
Iome lachte amüsiert. »Ganz ehrlich, Prinz Orden, wärt Ihr gekommen, um mich um die Führerschaft Heredons zu bitten, vielleicht hätte ich damit dienen können. Ihr hingegen hättet mich um mein Herz gebeten, und das kann ich keinem Fremden versprechen.«
»Wie ich befürchtet hatte«, gab Gaborn aufrichtig zu. »Und doch sind wir zwei nur durch Zufall Fremde. Hätten wir näher beieinander gelebt, ich glaube, wir hätten es geschafft, uns zu lieben. Kann ich Euch nicht überzeugen, ein Geschenk von mir anzunehmen, das Euch umstimmt?«
»Es gibt nichts, das ich mir wünsche«, sagte Iome, dann begann ihr Herz zu klopfen. Raj Ahtens Armee stand vor ihren Toren. Sie wollte ihn lossein. Sie merkte, daß sie übereilt gesprochen hatte.
»Es gibt bestimmt etwas, das Ihr Euch wünscht, wenn ich auch nicht weiß, was«, hielt Gaborn dagegen. »Ihr lebt hier, versteckt in Eurer Burg in der Nähe der Wälder, und Ihr behauptet, es gäbe nichts, was Ihr Euch wünscht. Und doch habt Ihr ganz sicher Angst. Es gab einmal eine Zeit, als alle Runenlords wie Euer Vater waren, Männer, durch ihren Eid verpflichtet, ihren Mitmenschen zu dienen, Männer, die keine Gaben annahmen außer denen, die freiwillig gegeben wurden.
Und jetzt stehen wir hier, in die Ecke gedrängt. Raj Ahten lauert vor Euren Toren. Ringsum nennen sich die Könige des Nordens Pragmatiken. Sie haben sich dem Gewinnstreben hingegeben und reden sich ein, am Ende bestimmt nicht so zu werden wie Raj Ahten. Ihr seht den Fehler in ihren Behauptungen. Ihr habt die Schwäche meines Vaters erkannt, da wart Ihr wenig älter als ein Kind. Er ist ein großer Mann, aber er hat wie wir alle seine Schwächen. Vielleicht ist es ihm gelungen, sich einen guten Kern zu bewahren, weil sich manchmal Menschen wie Ihr Gehör verschaffen, die ihn vor der Gier warnen. Und deshalb habe ich ein Geschenk für Euch, Prinzessin Sylvarresta, ein Geschenk, das ich gerne hergebe, ohne dafür etwas zu verlangen.«
Er trat entschlossen einen Schritt vor und ergriff ihre Hand.
Iome dachte, er würde ihr etwas in die Hand legen, einen wertvollen Stein oder ein Liebesgedicht.
Statt dessen ergriff Gaborn ihre Hand, und sie fühlte die Schwielen auf seiner Handfläche und spürte die Wärme seiner Hand.
Er kniete vor ihr nieder und sprach leise einen Eid, einen Eid, so alt, daß wenige noch seine Sprache verstanden, einen Eid, der so bindend war und lähmend, daß fast kein Runenlord jemals wagte ihn zu leisten: »Ich spreche diesen Eid in Eurer Gegenwart, und mein Leben soll Zeugnis dafür sein in jedem Punkt: Ich, Euer Runenlord, schwöre, Euch als Beschützer zu dienen. Ich, Euer Runenlord, bin vor allem anderen Euer Diener. Ich gelobe hiermit, niemals eine Gabe mit Gewalt oder durch Täuschung an mich zu bringen. Noch werde ich dergleichen von jenen kaufen, denen es an Reichtum mangelt. Statt dessen werde ich, sollte es einem Mann an Gold fehlen, ihm dieses gerne überlassen. Nur wer sich mir im Kampf gegen das Böse anschließt, kann mir als Übereigner dienen. So wie der Nebel über dem Meer aufsteigt, so kehrt er auch dorthin zurück.«
Er hatte den Schwur der Eidgebundenen Runenlords gesprochen, einen Schwur, der normalerweise Untertanen gegenüber gesprochen wurde, aber auch Unterlords oder befreundeten Königen gegenüber, die man zu verteidigen beabsichtigte. Das war kein Eid, den man leichtfertig einem einzelnen Menschen leistete. Es war mehr ein feierliches Gelöbnis, mit dem man eine Lebensweise verkündete. Schon der Gedanke ließ Iome schwindlig werden.
Solange Raj Ahten gegen den Norden kämpfte, benötigte das Geschlecht Orden seine ganze Kraft. Daß Gaborn jetzt diesen Eid sprach, zu ihren Ohren, kam… einem Selbstmord gleich.
Von diesem Schuft aus dem Haus Orden hatte Iome dies Größe des Herzens niemals erwartet. Den Eid zu leben würde sich als unerträglich schwer erweisen.
Sie hätte dasselbe nicht getan. Dafür war sie zu…
pragmatisch.
Iome stand nur einen kurzen Augenblick mit offenem Mund da. Ihr wurde klar, daß sie gut über ihn gedacht hätte, wenn er ihr den Eid unter einem freundlicheren Himmel geschworen hätte. Aber jetzt, unter diesen Umständen… das war
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