Dunkel wie der Tod
töten, sollten Sie jemals wieder damit anfangen.â
âDazu müssen Sie sich keineswegs mehr verpflichtet fühlen.â Will knetete das erhitzte Opium zu einem kleinen Kügelchen zusammen, schob es in den Pfeifenkopf, hielt es mit der Spindel dort fest und entzündete es an der Spiritusflamme. Das Opium löste sich in Rauch auf, den Will in einem einzigen tiefen Zug in sich aufsog.
Langsam atmete er wieder aus; die Augen fielen ihm zu. Die Pfeife glitt ihm aus der Hand und fiel auf das Tablett. Schlaff und reglos lag Will auf dem Sofa.
Nell deutete auf das Tablett und meinte: âAm liebsten würde ich das alles verbrennen und was sich nicht verbrennen lässt, unten am Hafen ins Wasser werfen.â
âDann dürfte Will aber sehr wütend werden.â
âWeil wir ihm nicht doch eine Kugel in den Kopf gejagt haben?â, fragte sie, als sie sich über das Tablett beugte und die brennbaren von den unbrennbaren Dingen trennte. âEs dauert ungefähr zwanzig Minuten, bis er aus dem Opiumrausch erwacht. Bis dahin will ich diese Sachen hier beseitigt haben.â
âUnd was ist damit?â Adam deutete auf den Nachttisch, wo Wills Morphiumvorrat samt Zubehör stand.
Sie schüttelte den Kopf. âNein, das nicht. Er braucht es gegen seine Schmerzen im Bein und um einen Entzug zu verhindern â wenngleich eine etwas geringere Dosierung ihm gewiss guttäte.â
âWenn er sich nur ein wenig zusammenreiÃen würde, bräuchte er das überhaupt nicht. Ich habe es auch eine Zeit lang wegen meines Beins genommen â es mir selbst injiziert, genau wie Will â, doch ich habe damit aufgehört, als ich merkte, dass ich davon abhängig wurde.â
âEs war eine auÃergewöhnlich schwere Verletzung, die zu Wills Abhängigkeit führteâ, versuchte Nell zu erklären. âAls er damals aus dem Lager in Andersonville flüchtete, hatte er eine schwere Schussverletzung am Bein, mit der er sich neun Monate durch feindliches Gebiet geschleppt hat, um zurück in den Norden zu gelangen. Noch immer hat er starke Schmerzen, die sich oft nur mit Morphium ertragen lassen. Natürlich weià ich nicht, was mit Ihrem Bein geschehen ist. Gewiss ist es auch sehr schmerzhaft, aber â¦â
âSyphilisâ, unterbrach er sie.
Es dauerte einen kurzen Augenblick, bevor Nell merkte, dass sie Adam mit offenem Mund anstarrte. âOh. Oh, das ⦠das tut mir leid.â Mehr noch verblüffte es sie jedoch, dass er dies so unumwunden einer Frau gegenüber zugab, anstatt sich etwas weniger anstöÃiger Begrifflichkeiten wie âBlutvergiftungâ oder âFranzösische Krankheitâ zu bedienen.
âIch habe Sie schockiertâ, stellte er fest. âAber ich dachte, da Sie doch einmal Krankenschwester waren â¦â
âJa, gewiss. Ich bin auch nicht schockiert, nur â¦â Unwillkürlich wanderte ihr Blick zu seinem Bein.
âMittlerweile sind auch die Knochen und Gelenke befallen, und selbst meine Sehkraft lässt nach. Vor einigen Monaten hatte ich einen erneuten Schub, und ich leide unter unerträglichen Kopfschmerzen. Aber die Symptome des Endstadiums dürften Ihnen ja bekannt sein.â
âZum Teil, ja.â Sie kannte sich zumindest gut genug aus, um zu wissen, dass Adam Erblindung, Lähmung und Demenz bevorstanden, wenn es nicht gelang, die Krankheit unter Kontrolle zu bringen. âKann man denn gar nichts mehr machen?â
âVier Jahre lang habe ich mich mit Quecksilber behandeln lassen. Ich habe es eingenommen, mich damit eingerieben, mich bedampfen lassen ⦠Sogar in einen Schwitzkasten hat man mich gesteckt, aus dem nur noch mein Kopf herausragte. Unten wurde ein Feuer angezündet, damit das Quecksilber in dem Kasten verdampfte. Sie können sich nicht vorstellen, welche Höllenqualen ich ausgestanden habe.â
âOh Adam, wie furchtbar!â Nell wurde schon ganz flau zumute, wenn sie nur daran dachte â ja, sie spürte gar, wie ihr der Schweià auf der Stirn stand. âHat es denn wenigstens geholfen?â
Er schüttelte den Kopf. âDie Krankheit ist immer wieder ausgebrochen. Die Ãrzte wollen es jetzt mit Kaliumjodid versuchen, doch wenn das nur annähernd so schrecklich ist wie die Therapie mit Quecksilber â¦â
âNein, das ist es nichtâ, versicherte sie ihm. Kaliumjodid war längst nicht so
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