Dunkel wie der Tod
Ãrgerâ. Ihr Kleid ganz eng zusammengeschnürt und dann diese aufgetürmten roten Haare! Dachte, sie wär was Bessâres als wir, weil sie in Boston gelebt hat.â
âDabei war sie nix anderesâ, warf Mary ein, âals ganz billiges irisches Gesindel.â
Nell zeichnete weiter und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Solange sie ihren Namen nicht nannte, erkannten meist nur ihre einstigen Landsleute sie als Irin. Es folgte eine lange Litanei von Klagen über unnütze Fremde, die ihnen die Arbeit in der Fabrik wegnahmen, doch schlieÃlich kamen sie wieder auf Bridie Sullivan zu sprechen. Nun erfuhr Nell alles über Bridies geschminktes Gesicht und ihre kokette Art, ihre verdächtig feine Kleidung und all die Haarspangen und Stiefel â Letztere trafen bei den anderen Mädchen wohl einen besonders wunden Punkt. Nell fiel auch auf, dass Evie abermals sehr schweigsam geworden war.
âIst nie mit uns in die Kirche gegangenâ, ereiferte sich Mary, âund hat deshalb einen riesigen Aufstand gemacht, weil ihr der Kirchenzehnte gleich vom Lohn abgezogen worden ist.â
âSie ist nämlich katholischâ, fügte Ruth hinzu.
âDie Kirche ist protestantischâ, erklärte Cora. âBridie hat nicht hier gelebt, sondern bei ihren Eltern. Also, wenn ihr mich fragt, hat sie sich zu Recht darüber aufgeregt.â
âEvie und Luther sind auch katholischâ, erinnerte sie Ruth. âSie gehen jeden Sonntag in ihre Kirche und stellen sich trotzdem nicht so an wegen dem Zehnten.â
âSollten sie aberâ, meinte Cora.
Evie zuckte mit den Schultern und rupfte einen Grashalm aus. Ihr Bruder schaute nur verwirrt drein.
âDu hast ja keine Ahnung, Coraâ, sagte Ruth. âMan merkt, dass du nie mit dieser Bridie Sullivan arbeiten musstest, sonst würdest du sie jetzt bestimmt nicht in Schutz nehmen.â
Nell mischte sich rasch ein und erkundigte sich, woher Bridie denn all ihre feinen Sachen gehabt hätte.
âVon Männern natürlichâ, erwiderte Ruth. âSo eine war sie.â
âIhr Schatz war ein verdammt gut aussehender Burscheâ, sinnierte Cora.
âOh ja, mir haben diese Sterne gefallen ⦠machten ihn irgendwie geheimnisvollâ, pflichtete Mary ihr bei.
Ruth lachte. âDas kann man wohl sagen!â
âWenn er nicht so gut ausgesehen hätte, wär das mit den Sternen seltsam gewesenâ, meinte Cora, âaber er war ein richtig stattlicher Kerl mit Schultern von hier bis nach da, und ganz dunklen Haaren, aber heller Haut und den gröÃten blauen Augen, die man je gesehen hat. Die andern Mädels haben alle versucht, ihn auf sich aufmerksam zu machen, bis sie dann rausfanden, dass er gerade erst ausâm Knast gekommen war.â
âWeshalb war er drin?â, fragte Nell.
âNiemand hier hat sich mit Bridie gut genug verstanden, um sie danach zu fragenâ, erwiderte Cora.
âEr war aber nicht der Einzigeâ, sagte Ruth. âAlle sind sie früher oder später um sie herumscharwenzelt, und die meisten sind nicht enttäuscht worden â solange nur Bridie dabei auch auf ihre Kosten kam.â
Mary fügte hinzu: âDie richtig teuren Sachen â Hüte, Ohrringe und die meisten von ihren Kleidern â hat sie von Mr. Harry persönlich bekommen.â
âHarry Hewitt?â, vergewisserte sich Nell und sah auf. âWaren er und Bridie ⦠haben sie â¦?â
âBei jeder Gelegenheitâ, bestätigte Ruth. âEr hat dann seinen kleinen Jasager Carlisle vorbeigeschickt und sie von der Arbeit weg in sein Büro bringen lassen. Wenn sie dann zurückkam, hatte sie die Haare immer anders als vorher und diesen gewissen Ausdruck im Gesicht.â
âEr hat sie während der Arbeit holen lassen?â, fragte Cora ungläubig. âEvie, ist das wahr?â
Evie saà schweigend neben ihrem Bruder, hatte die Arme um ihre Knie geschlungen und zuckte mit den Schultern.
Ruth stieà Cora leicht an und flüsterte ihr zu: âFrag sie bloà nicht nach Bridie und Mr. Harry.â
âAch je, das hab ich ja ganz vergessen!â
Wahrscheinlich war Nell ihre Verwirrung anzumerken, denn Otis grinste sie an und meinte: âEvie ist nämlich in Mr. Harry verliebt â nicht wahr, Evie?â
âLass sie in Ruheâ, sagte Ruth. Evie sah beiseite und schlang die Arme noch fester um
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