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Dunkel wie der Tod

Dunkel wie der Tod

Titel: Dunkel wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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Krümelhaufen verwandelt hatte – mehr aus Anspannung heraus, denn aus fleißigem Vorsatz –, nahm sie die Serviette zusammen und brachte Gracie die Brotkrumen. Der Himmel verfinsterte sich zusehends, die Bäume schwankten leicht im Wind. Wäre Will nicht bei ihnen gewesen, hätte sie mit Gracie längst den Heimweg angetreten.
    â€žHat er denn erwähnt, dass er gesehen hat, wie Virgil Bridie am Freitag geküsst hat?“, fragte sie, als sie zur Bank zurückkehrte.
    â€žOb er es erwähnt hat? Er war außer sich vor Wut!“
    â€žWarum eigentlich? Wie Sie bereits sagten, war Bridie keinesfalls unbedarft, und das wusste Harry. Die Affäre der beiden war ja wohl kaum eine Herzensangelegenheit.“
    â€žUm das zu verstehen, sollten Sie wissen, dass sie ihn keine zwei Wochen zuvor hat wissen lassen, dass sie in anderen Umständen sei.“
    â€žAch herrje.“ Das wird ja immer seltsamerer, wie Gracie jetzt sagen würde. „Von ihm?“
    â€žSie hatte ihm hoch und heilig geschworen, dass es seines wäre und es den ganzen Sommer über keinen anderen gegeben hätte.“
    â€žAh ja. Er wusste demnach nichts von Virgil.“
    Will stieß einen tiefen Seufzer aus. „Harry gab ihr vierzig Dollar und die Adresse einer französischen Hebamme, die sich wohl sehr gut darauf versteht, derlei, mmh, missliche Umstände zu beheben.“
    Nell zuckte unwillkürlich zusammen und legte sich die Hand auf den Bauch. „Es kann kaum so viel kosten, sich … solcher Dienste zu behelfen“, wandte sie ein.
    â€žSoweit ich weiß, kostet es lediglich ein paar Dollar“, sagte Will und drückte seine Zigarette aus. „Der Rest war … Bestechungsgeld, wenn man so will. Ein kleiner Anreiz, damit sie über ihre Beziehung zu ihm den Mund hielt.“
    Dafür war es wiederum sehr knauserig, fand Nell, vor allem, wenn man bedachte, welche Unsummen Harry regelmäßig am Spieltisch verschleuderte. „Warum hat Harry sich selbst um diese Angelegenheit gekümmert? Ihr Vater lässt so etwas doch immer von Leo Thorpe erledigen.“
    â€žDie Geduld des alten Herrn fängt langsam an zu schwinden. Er hat sich Harry wohl zur Brust genommen und fürchtet um den Ruf der Familie. Für den Heiligen Augustus gibt es ohnehin nur zwei Söhne – Martin und Harry. Und nun, da Martin sich für die Religion berufen fühlt, bleibt nur noch Harry als Nachfolger für die Familienunternehmen und Repräsentant der Hewitts in der Bostoner Gesellschaft. Vor einigen Monaten hat er Harry zu sich in die Bibliothek beordert und ihn wissen lassen, dass die Tage seiner sorglosen Ausschweifungen gezählt seien und er sich ab jetzt zusammenzureißen habe, wenn er nicht die Konsequenzen tragen wolle.“
    â€žKonsequenzen?“
    â€žEnterbung.“
    Nell sah Will mit großen Augen an. „Nein! Das würde er doch niemals tun.“
    â€žLaut Harry war es ihm todernst damit. Er hat ihm sogar angedroht, dass Leo ihm fortan nicht mehr helfen werde, wenn er wieder mal verhaftet würde, ein Fabrikmädchen schwängerte oder der Familie anderweitig Schande bereitete.“
    Will schaute seiner Tochter zu, wie sie fröhlich am Ufer entlanglief und der aufgeregten Entenschar Brotkrumen zuwarf. Sein klar geschnittenes Profil und die marmorblasse Haut – Letzteres rührte aller Wahrscheinlichkeit vom Morphium her – ließ Nell an die Worte des Fabrikmädchens Cora denken. Er hatte ein Gesicht wie eine von diesen römischen Statuen! Es war ein dramatisches Gesicht – ein Gesicht, das geradezu danach verlangte, mit kräftigen schwarzen Kohlestrichen auf leicht angerautes Papier gebannt zu werden.
    â€žSchön und gut“, meinte sie, „aber allen Drohungen zum Trotz, scheint Harry seinen Lebenswandel keineswegs geändert zu haben.“
    â€žEr hat mir versichert, sich seither um Diskretion zu bemühen“, erwiderte Will. „Seine Ausschweifungen beschränkt er nun auf die Nachtstunden und auf private Veranstaltungen, und wenn ihn doch einmal Lust auf das überkommt, was er ‚Straßengesindel‘ nennt, schickt er seinen beflissenen kleinen Kammerdiener aus und lässt ihn den Vermittler spielen, statt sich das Gewünschte selbst zu besorgen.“
    â€žUnd das versteht er unter Diskretion?“
    â€žFür Harry sind das bereits erhebliche Zugeständnisse. Ihm

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