Dunkel wie der Tod
Schreiben gelernt hat, damit er mit Ihnen korrespondieren kann.â
âEr ist von ihr besessenâ, stellte Will richtig, âund zwar auf recht krankhafte Weise. Das ist etwas völlig anderes, als wenn sie ihm etwas bedeuten würde.â
âIch denke schon, dass man es eine Besessenheit nennen könnteâ, gestand Adam ein, âaber ist es denn wirklich krankhaft, wenn man jemanden so sehr â¦â
âBegrifflichkeiten tun doch nichts zur Sacheâ, unterbrach Nell ungeduldig. âWürden Sie bitte beenden, was Sie gerade ausführen wollten. Bitteâ, fügte sie in etwas milderem Ton hinzu. âEinerseits scheine ich ihm sehr viel zu bedeuten. Und andererseits?â
Adam nahm sich seine Serviette vom SchoÃ, faltete sie ordentlich zusammen und legte sie links neben den Teller mit dem unberührten Dessert. âMein Grund, seine vorzeitige Entlassung noch einmal in Ruhe zu überdenken, hatte mit gewissen Bemerkungen Duncans zu tun, die er in letzter Zeit gemacht hatte. Wenngleich ich nun â da ich weiÃ, was er von Virgil den Sommer über alles erfahren hat â fast nachvollziehen kann, weswegen er so â¦â Er seufzte tief.
âWeswegen er so â¦?â, drängte Nell ihn ungeduldig weiter.
âNun ja, weswegen er so wütend war. Er hat einige Dinge gesagt, die ich ⦠ein wenig beunruhigend fand. Natürlich nicht andauernd, aber doch immer mal wieder, wenn ⦠ja, wenn er auf Sie und Harry Hewitt zu sprechen kam.â
âMoment malâ, horchte Nell auf. âSie wussten davon? Schon bevor Sie gerade diese Briefe gelesen haben?â
Er nickte. âDuncan hatte mir davon erzählt. Ich wollte von ihm wissen, wie er es herausgefunden hatte, aber er meinte nur vielsagend, er habe da so seine Kanäle. Und da habe ich ihn nicht weiter gedrängt. Wenn ein Gefangener das Gefühl hat, dass ich mich ungebeten in seine Privatangelegenheiten einmische, wird er mir nie mehr etwas anvertrauen â davon war ich zumindest bislang immer ausgegangen.â
âIch nehme mal an, dass er von dem vermeintlichen Verhältnis nicht sehr erfreut warâ, sagte Will, während er sich eine Zigarette anzündete.
âOh, er war völlig auÃer sich â verzweifelt, enttäuscht. Da saà er nun, hinter Gittern, und sein Rivale kommt aus einer der reichsten und einflussreichsten Familien Bostons. Er führte sich auf, als wäre er in seinen Grundfesten erschüttert worden.â
âRivale?â, wiederholte Will und stieà eine Rauchwolke aus. âIhm ist immer noch nicht bewusst, dass es zwischen ihm und Nell vorbei ist? Man sollte eigentlich meinen, dass nach all diesen Jahren ⦠und mein Gott noch mal, nach allem, was er ihr angetan hat â¦!â
âEr fühlt noch immer â mit Leib und Seele â, dass sie die seine ist.â An Nell gewandt fügte er hinzu: âDie Vorstellung, Sie könnten ihn mit Harry betrügen, hat ihn schier um den Verstand gebracht.â
Will beugte sich vor, seine Ellenbogen auf den Tisch gestützt. âHat er gedroht, ihr etwas anzutun?â
Mit untröstlicher Miene blickte Adam hinab auf sein feinsäuberliches Arrangement aus Tasse, Teller und Serviette. âSie müssen versuchen zu verstehen, dass seine Gefühle daher rühren â¦â
âWas ich bislang versteheâ, unterbrach Nell ihn, âist, dass er noch immer versucht, mich zu besitzen, mich zu kontrollieren, mich selbst aus dem Gefängnis heraus noch zu bedrohen. Was ich überhaupt nicht verstehe, ist hingegen, warum Sie mir gegenüber nichts davon andeuteten, als ich am Mittwochnachmittag das Gefängnis besucht hatte. Ebenso wenig hat Duncan etwas dergleichen erwähnt. Sie haben für mich das Bild eines Mannes entworfen, der zu Gott gefunden und sich grundlegend verändert habe, und genau diese Rolle hat Duncan auch gespielt, als ich dann bei ihm war â ziemlich gut sogar. Ein paarmal hätte er mich beinah überzeugt. Aber schauspielern konnte er schon immer. Nichts konnte er besser, leider.â
âEr hat Ihnen nichts vorgespieltâ, sagte Adam. âEr versucht wirklich, sich zu ändern. Aber jede Veränderung ist eine Reise, auf die man sich begibt, und die eine Weile dauern kann, bevor man am Ziel angelangt ist. Ich habe Ihnen bewusst nur erzählt, was ich Ihnen erzählt habe, weil ich dachte, wenn
Weitere Kostenlose Bücher