Dunkel wie der Tod
Duncan Sie nur wieder einmal sehen und mit Ihnen reden könnte, würde er auch seinen Zorn überwinden und Ihnen verzeihen.â Eindringlich fuhr er fort: âSie und Duncan verbindet eine gemeinsame Vergangenheit, Miss Sweeney. Sie haben viel durchgemacht. Um Himmels willen, Sie sollten â¦â
âDas ist alles schon lange aus und vorbei.â Nell warf Adam einen bedeutungsvollen Blick zu und bat ihn ohne Worte, doch in Wills Gegenwart nicht ganz so viel von ihrer Vergangenheit mit Duncan zu erzählen. âEs gibt nichts mehr, was uns verbindet â nicht nach dem, was er mir angetan hat.â
Er erwiderte ihren Blick kurz, bevor er wieder beiseite sah, doch Nell war nicht entgangen, dass er wohl endlich zu verstehen schien.
Just in diesem Moment hörte sie hinter sich Wills Namen, und als sie sich umdrehte, sah sie den Oberkellner, der den kleinen korpulenten Rezeptionisten zu ihnen führte, von dem Will vorhin den Zimmerschlüssel bekommen hatte.
Mit einer höflichen Verbeugung sagte der Rezeptionist: âGuten Abend, Mrs. Hewitt. Dr. Hewitt â¦â
Adam schaute Nell an. Am liebsten wäre sie im Boden versunken, weil sie genau wusste, was er sich nun denken musste. Wie käme das Hotelpersonal darauf, sie âMrs. Hewittâ zu nennen, wenn sie nicht tatsächlich seine Gemahlin war â oder aber seine Geliebte.
âEntschuldigen Sie, dass ich Sie beim Essen störeâ, meinte der Rezeptionist, âaber vorne am Empfang ist ein Bote, der Sie zu sprechen wünscht, Dr. Hewitt.â
Will entschuldigte sich und verschwand hinaus in die Eingangshalle. Adam nippte an seinem Kaffee und mied Nells Blick.
âEs ist nicht so, wie Sie denkenâ, sagte sie. âWill und ich â¦â
âAch, wissen Sie ⦠so unbedarft bin ich ja dann auch wieder nicht. Ich befürworte derlei zwar nicht unbedingt, doch ich verstehe durchaus, wie es dazu kommen kann. Aber es wäre mir sehr viel lieber, wenn Sie mir gegenüber ehrlich wären, anstatt vorzugeben â¦â
âAber es ist wirklich nicht soâ, sagte sie. âSie wissen selbst, dass ich Gouvernante bei den Hewitts bin. Niemals würde ich meine Anstellung dort in Gefahr bringen, indem ich mich leichtfertig mit einem Mann einlieÃe.â
Adam lehnte sich zurück, runzelte die Stirn und wirkte auf einmal so ernst, wie sie ihn bisher noch nicht erlebt hatte. Seine Miene lieà vermuten, dass sich hinter der freundlich umgänglichen Fassade, die sie bei ihm kannte, ungeahnt tiefe Leidenschaften verbergen mochten. âGeheimnisse zehren einen auf, Nell. So, wie diese Sache mit Duncan.â
âAh ⦠das. Ja, nun ja â¦â
âWie viel weià Will darüber?â
âNur, dass ich einst mit ihm zusammen war. Nicht ⦠wie wir gelebt haben oder irgendetwas anderes aus jener Zeit.â
âMeinen Sie nicht, dass er ein Recht darauf hat, alles zu erfahren?â Sie glaubte, in der Frage eine leichte Anklage mitschwingen zu hören, was Nell nun wieder ins Bewusstsein rief, dass Adam Beals letztlich eben ein Mann der Kirche war.
Sie schüttelte den Kopf. âEr weià schon jetzt zu viel über mich. Er ist zwar in vielerlei Hinsicht ein guter Mensch, aber â¦â Sie verstummte, da sie auch nicht zu viel über Will preisgeben wollte. âMänner seines Standes können bekanntermaÃen hin und wieder etwas ⦠maÃlos sein. Wenn er über Duncan und all das Bescheid wüsste, könnte es passieren, dass er es einmal ausplaudert, wenn er â¦â
âBetrunken ist? Er hat zum Abendessen nicht einmal einen Wein getrunken.â
Sie zögerte.
âEs ist etwas anderes, weswegen Sie sich um ihn sorgen, nicht wahr?â, fragte Adam.
âBitte ⦠ich wollte damit keineswegs andeuten â¦â
âDas haben Sie auch nicht. Ich erachte es zwar als meine Aufgabe zu ergründen, was sich unter der Oberfläche verbirgt, aber dennoch gestehe ich natürlich jedem seine Privatsphäre zu. Es tut mir leid, falls ich Sie in Verlegenheit gebracht habe.â
âNein, schon gut. Ich möchte nur nicht, dass Sie nun schlecht von Will denken. Er ist zwar nicht gläubig, aber trotzdem ein besserer Mensch als manch andere.â
Während der Vorsuppe hatten Adam und Will mit einer solchen Offenheit über theologische Fragen debattiert, dass Nell manchmal schon nicht mehr wusste, ob sie nun
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