Dunkel wie der Tod
Duncan immer gern gemacht â jemanden, der ihm unterlegen war, glauben lassen, sie seien die besten Freunde, um sie dann auszunutzen.â
Adam seufzte. âDuncan genieÃt groÃes Ansehen unter seinen Mitgefangenen. Er könnte sie dazu bringen, alles für ihn zu machen. Mir kam nur nie der Gedanke, dass er so weit gehen würde, Virgil nach dessen Entlassung als seinen Spion zu verpflichten.â
Der Geistliche hob seine Tasse und blickte hinein, verharrte einen Moment reglos und setzte sie dann wieder ab. SchlieÃlich schob er Tasse und Untertasse genau dorthin, wo der Kellner sie vorhin abgestellt hatte, und tat dann dasselbe mit seinem Dessertteller. âIch war so arglos, so selbstgefällig in meiner Gewissheit, dass sie mir alles erzählen würden â besonders Virgil. Aber das zeigt einem mal wieder, dass wir stets das glauben, was wir glauben wollen. Ich war stolz auf mein gutes Verhältnis zu den Gefangenen, aber nicht umsonst ist der Stolz eine Sünde.â
âSeien Sie nicht zu streng mit sich selbstâ, sagte Nell. âDuncan hat Virgil wahrscheinlich damit gedroht, dass er ihn bewusstlos prügelt, wenn er ihre Vereinbarung ausplaudern würde.â
Adam schien darauf etwas erwidern zu wollen, hob stattdessen jedoch nur abermals seine Kaffeetasse und nahm bedächtig einen kleinen Schluck.
âWas ist?â, wollte Will wissen.
âNichts, nur â¦â Mit schmerzlich berührter Miene setzte Adam seine Tasse ab und drehte sie auf der Untertasse, bis der Henkel nach rechts zeigte. âDie Macht, die Duncan über die anderen Gefangenen hat ⦠Er erhält sie teils auch durch ⦠nun ja, durch Angst und Einschüchterung aufrecht. Er lügt, wenn es sein muss, droht Gewalt an ⦠Und um seinen Einfluss zu wahren, hat er sich auch schon einmal seiner Fäuste bedient.â
âSie hatten mir erzählt, dass Duncan sich verändert hätteâ, meinte Nell, âaber das klingt für mich ganz nach dem Mann, den ich kannte.â
âOh, er hat sich auch verändert â in mancherlei Hinsicht grundlegend. Er besucht die Bibelstunden, er hat lesen und schreiben gelernt â¦â
Will unterbrach ihn: âDas sind aber wohl eher oberflächliche Veränderungen. Wenn er hingegen noch immer zur Gewalttätigkeit neigt â¦â
âSie neigen alle zur Gewalttätigkeitâ, sagte Adam und klang so, als würde er dazu genötigt auszusprechen, was doch wohl jedem klar sein müsse. âDeshalb sind sie ja im Gefängnis, zumindest die meisten. Das sind keine Männer, die ihre Probleme ausdiskutieren, Will. Manchmal ist BlutvergieÃen die einzige Sprache, die sie verstehen. Ich habe mit Duncan gearbeitet und versucht, ihm beizubringen, wie er seine Wutausbrüche zügeln kann, wie er Zwistigkeiten mit dem Verstand lösen kann, statt immer nur mit den Fäusten auszuteilen.â
âWenn er das aber doch bis jetzt nicht gelernt hatâ, fragte Will, âwarum haben Sie dann vorgeschlagen, dass seine Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird?â
Adam blickte stirnrunzelnd in seine Kaffeetasse. âIch habe sehr lange darüber nachgedacht, bevor ich meine Entscheidung gefällt habe. Mein letztendlicher Beweggrund war dann, dass ich ihm helfen könnte, drauÃen eine richtige Arbeit zu finden und ihm bei seiner Wiedereingliederung in die Gesellschaft mit Rat und Tat zur Seite stehen könnte. Leider muss ich jedoch gestehen, dass auch mir im Laufe des Sommers Zweifel an der Richtigkeit meiner Entscheidung gekommen sind.â
âWerden Sie Ihren Antrag zurückziehen?â, fragte Nell hoffnungsvoll.
âIch denke über einen Aufschub nach, zumindest für weitere ein oder zwei Jahre, bis Duncan sich über einige Dinge im Klaren ist.â
âWas für Dinge?â, wollte Will wissen.
Adam zögerte und sah kurz zu Nell hinüber, bevor er sich wieder an Will wandte: âIch weià nicht, ob ich das wirklich â¦â
âHat es etwas mit mir zu tun?â, fragte sie.
Adam strich sich vorsichtig sein tief in die Stirn hängendes Haar aus den Augen. âDuncans Gefühle für Sie sind recht ⦠nun ja, kompliziert. Diese Gefühle beanspruchen sehr viel seiner Kraft und seiner Zeit. Er redet unablässig von Ihnen. Einerseits scheinen Sie ihm sehr viel zu bedeuten â bedenken Sie nur, wie er jahrelang Lesen und
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