Dunkel
Strom um Felsen, die aus seinem Bett aufragen. Die schattenhaften Gestalten trieben mit ihm. Mehrere brachen zusammen, ihre Körper waren leer, Mangel an Nahrung oder Wasser ließen sie schließlich wie Maschinen versagen, die keinen Treibstoff mehr hatten oder nicht geölt wurden. Einige starben - die anderen würden später folgen -, und während sie das taten, wurde ein Teil von ihnen frei: Die Dunkelheit in ihnen wurde vom großen Dunkel begrüßt.
Die lange Mauer ragte hoch auf, und die Dunkelheit floß darüber, ließ die Männer und Frauen, die mit ihr gingen, hilflos und plötzlich ängstlich zurück. Sie stürmte auf die schlafenden Insassen des Wandsworth-Gefängnisses zu, kroch in die Öffnungen, fiel über sie her und absorbierte sie; die ruhenden Hirne waren empfänglich und begierig. Zwar nicht alle — doch die wehrten sich nicht lange.
12
Das Läuten des Telefons weckte Bishop aus tiefem Schlaf. Es war eigenartig, aber seit Lynns Tod vor zwei Wochen war sein ständig wiederkehrender Alptraum vom Ertrinken weg. Vielleicht war er durch das Erlebnis in der Nervenheilanstalt in jener Nacht von ihm genommen worden, als er den Traum durchlebt hatte und fast umgekommen wäre. Er stieß die Decke zurück und schaltete die Nachttischlampe ein. Der kleine Wecker sagte ihm, daß es kurz nach zwei war. Wachsamkeit erfüllte ihn, als er aufstand und die Treppe zur Halle hinunterging. Er griff nach dem Telefon.
»Sind Sie's, Bishop? Hier spricht Peck.«
»Was ist los?« Bishop war jetzt hellwach.
Pecks Stimme war drängend. »Ich habe nicht viel Zeit, hören
Sie also genau zu und tun Sie, was ich Ihnen sage.«
Etwas ballte sich in Bishops Magen zusammen.
»Ich möchte, daß Sie Ihre Türen vorn und hinten schließen«,
fuhr Peck fort. »Überprüfen Sie alle Ihre Fenster und vergewissern Sie sich, daß auch sie geschlossen sind.«
»Was ist denn los, Peck?«
»Haben Sie einen Raum, in dem Sie sich einschließen können?«
»Ja, aber...«
»Dann machen Sie das. Verbarrikadieren Sie sich darin.«
»Wovon, zum Teufel, reden Sie eigentlich?«
»Hören Sie, ich habe für Erklärungen nicht viel Zeit. Ich kann Ihnen nur sagen, daß in Ihrem Teil Londons etwas vorgeht. Unsere Bereitschaft wird mit Notrufen überschüttet. Das größte Problem ist eine Revolte im Wandsworth Gefängnis.«
»Himmel! Können die ausbrechen?«
»Es scheint, als seien sie bereits ausgebrochen.« Eine kurze Pause entstand. »Es scheint, als seien die Gefängnisaufseher selbst darin verwickelt. Was die Sache noch verrückter macht ist, daß eine Tankstelle an der anderen Seite des Stadtteils in die Luft geflogen ist.«
»Peck, hat all das etwas mit dieser Pryszlak-Geschichte zu tun?«
»Das weiß Gott allein. Wenn es so ist, dann werden einige dieser Wahnsinnigen zu Ihnen kommen. Darum möchte ich, daß Sie sich einschließen. Ich fürchte, mir stehen nicht genug Männer zur Verfügung, um Ihnen Hilfe zu schicken. Ich könnte mich auch irren.«
»Danke für die Warnung. Haben Sie Kulek und Jessica informiert?«
»Ein Mann beobachtet ihr Haus. Ich habe ihn über Funk beauftragt, Kulek sofort von dem zu informieren, was passiert. Ich habe den Posten dort stehen lassen, obwohl wir kaum auf den Mann verzichten können. Unglücklicherweise mußte der Beamte, der Sie observierte, abgezogen werden — darum rufe ich an. Wenn Sie tun, was ich Ihnen sage, ist alles okay.«
»Also gut. Sagen Sie mir nur eines: Glauben Sie jetzt, an Jacob Kuleks Theorie?«
»Tun Sie das?«
»Ich beginne mehr und mehr daran zu glauben.«
»Nun, ich vielleicht auch. Ich verstehe sie nicht, aber es gibt für die Vorkommnisse keine andere Erklärung. Das Problem ist, das ich meine Vorgesetzten überzeugen muß. Ich muß jetzt Schluß machen. Passen Sie gut auf!«
Der Hörer wurde aufgelegt, bevor Bishop antworten konnte. Er überprüfte schnell die Vordertür, ob sie verriegelt und verschlossen war, und ging dann nach hinten. Die Küchentür, die zu seinem winzigen Garten führte, war ebenfalls verschlossen. Bevor er die Fenster überprüfte, beschloß er, zuerst Jessica anzurufen; trotz des Polizeischutzes hatte sie sicher Todesangst. Seit Lynns Tod hatte er sie nur zweimal gesehen: einmal, als sie in sein Haus gekommen war, nachdem sie von der Tragödie in der Nervenheilanstalt erfahren hatte, und dann ein paar Tage später bei einer Zusammenkunft mit Peck und seinen Vorgesetzten, einschließlich dem Commissioner. Seitdem hatte sie ihn in Ruhe
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