Dunkel
wenn man es nicht besser weiß?«
Das Lächeln auf den Gesicht der kleinen Frau wurde breiter.
»Der dumme Mann dachte, ich sei eine hilflose alte Vettel, die zuviel getrunken hatte.«
»Sie müssen wissen, daß wir wußten, daß er da war. Wir haben das Haus nämlich auch die ganze Woche beobachtet. Würden Sie bitte Platz nehmen, Mr. Bishop? Wir wollen im Augenblick nicht noch mehr Tote, nicht wahr? Später natürlich, aber jetzt noch nicht.« Die große Frau deutete auf einen Platz auf den Sofa neben Jessica.
Bishop setzte sich und sah das Entsetzen in Jessicas Augen.
Er nahm ihre Hand und hielt sie.
»Ja, sehr rührend, Christopher. Ich darf Sie doch Christopher nennen?« Es fiel schwer sich vorzustellen, daß die große Frau etwas anderes war, als eine Angehörige des Frauenvereins, die am Heldengedenktag Papierblumen verkaufte. Die kleine Waffe in ihrer Hand und ihre nächsten Worte erinnerten Bishop daran, wie teuflisch sie in Wirklichkeit war. »Haben Sie Ihre Frau schon vergessen, Christopher? Hat sie Ihnen so wenig bedeutet?«
Er wollte aufstehen, da seine Wut jede Furcht schwinden ließ, doch Jessica hielt ihn am Arm fest.
»Nein, Chris!« rief sie.
Alle Freundlichkeit war plötzlich aus dem Verhalten der großen Frau geschwunden. »Hören Sie auf sie, Christopher. Ihr ist gesagt worden, daß ihr Vater sofort sterben wird, falls Sie irgendwelche Schwierigkeiten machen.«
Er sank zurück, und die Wut ließ ihn zittern.
»So ist es brav«, sagte die große Frau beruhigend, und war wieder freundlich. Sie setzte sich auf einen hochlehnigen Stuhl, der an der Wand stand, und hielt die Pistole auf Bishop gerichtet. »Sie sind ein interessanter Mann, Christopher. In den letzten paar Wochen haben wir einiges über Sie herausgefunden. Ich habe sogar eines Ihrer Bücher gelesen. Auf seltsame Weise sind Ihre Theorien gar nicht so weit von denen Boris Pryszlaks entfernt. Und auch nicht von denen Jacob Kuleks, obwohl ich sehe, daß Sie sich mehr um erklärbare Wissenschaft kümmern als um das Unerklärbare.«
»Darf ich fragen, was Pryszlak für Sie war?« fragte Kuiek. »Und darf ich Sie auch bitten, das Messer wegzunehmen? Es ist ohnehin schon so unbequem genug. Ihre Waffe müßte doch reichen.«
»Ja, Judith, ich denke, du kannst dich jetzt ein wenig entspannen. Setz dich doch auf die Sessellehne und presse das Messer auf Kuleks Herz.«
»Ich traue dem alten Mann nicht«, erwiderte die kleine Frau. »Ich traue keinem von denen.«
»Aber, aber, meine Liebe. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie viel tun können in der kurzen Zeit, die ihnen bleibt. Ich werde meine Pistole genau auf Mr. Bishops Kopf gerichtet halten.«
Verdrossen veränderte die keine Frau ihre Position und Kulek spürte, wie die Spitze des Messers gegen seine Brust gepreßt wurde — ein wenig härter als erforderlich.
»Werden Sie uns nun über Ihre Verbindung zu Pryszlak informieren?« fragte er, scheinbar unbeeindruckt.
»Natürlich. Es gibt keinen Grund, warum Sie das nicht wissen sollten. Judith und ich - mein Name ist übrigens Lillian, Lillian Huscroft — lernten Boris vor vielen Jahren durch Dominic Kirkhope kennen. Dominic wußte, welche Art von Spielen Judith und ich genossen — ich könnte sagen, sein Wissen war intimer Art —, und er wußte, daß wir recht wohlhabend waren. Boris brauchte zu der Zeit Geld für seine Experimente. Er brauchte auch Menschen, Menschen wie er selbst. Wenn es ein Charakteristikum für sämtliche Mitglieder seiner sorgfältig auserwählten Gruppe gab, dann das, was Sie vermutlich >moralische Verderbtheit< nennen würden. Wir waren völlig böse, müssen Sie wissen. Aber wir betrachteten das als Tugend, nicht als Schwäche. Eine Qualität, die viele besitzen, die aber durch die Vorurteile der sogenannten zivilisierten Gesellschaft unterdrückt wird. Wir fanden bei Boris unsere Freiheit. Jede sündhafte Tat, die wir begingen, war ein Schritt auf unser letztes Ziel zu.«
Sie lachte kurz und blickte ihre drei Gefangenen spöttisch an. »Die Polizei in diesem Land wäre überrascht, wie klein der Aktenstapel ungelöster Verbrechen werden würde, wenn wir die Rolle verrieten, die viele unserer Mitglieder dabei spielten. Das Verbrechen, das am schwersten aufzuklären ist, ist das ohne offensichtliches Motiv, und ich fürchte, daß es unseren lieben Gesetzeshütern schwerfällt, das Konzept Böses um des Bösen willen zu begreifen.«
»Mir selbst fällt es auch etwas schwer, das zu begreifen«,
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