Dunkel
Außenlampen waren kaum mehr sichtbar. Das Druckgefühl hatte zugenommen — es schien auf ihnen allen zu lasten, drückte auf das Haus selbst, pressend, zermalmend.
Edith Metlock fiel mit geschlossenen Augen gegen das Sofa. Jessica streckte die Hand nach ihrem Vater aus, war aber zu erschreckt, um zu ihm zu gehen. Kulek starrte auf das Dunkel, als ob er es sehen könnte, und in seinem Geist konnte er es. Bishop hob die Waffe auf die Glaswand, wissend, daß er den Abzug nicht betätigen konnte.
»Es kann nicht hereinkommen!« schrie Kulek mit erhobener Stimme, obwohl absolutes Schweigen im Raum herrschte. »Es hat keine materielle Form!«
Doch die Wölbung der riesigen Fensterscheiben nach innen, die durch Metallstreben verstärkt waren, straften seine Worte Lügen.
»Meine Gott, das ist nicht möglich.« Bishop konnte nicht glauben, was er sah. Das Glas bog sich wie die Zerrspiegel in einem Lachkabinett. Er hob seine andere Hand, um seine Augen zu schützen, war sicher, daß die Scheiben jeden Augenblick nach innen platzen würden.
Die verletzte Frau richtete sich in eine sitzende Position auf. Das befleckte Leinenhandtuch fiel von ihrer Brust, und Blut floß in ihren Schoß. Sie schaute auf die Fenster und lachte. Ihr kicherndes Geräusch erstarb, als sich die Wölbungen im Glas plötzlich wieder glätteten und die Fenster ihre normale Form annahmen. Mehrere Augenblicke lang wagte niemand im Raum zu sprechen.
»Ist es vor ...?« begann Jessica zu sagen, als ein ohrenbetäubender Krach alle entsetzt zurückspringen ließ.
Der Mittelteil der Glaswand riß von oben nach unten, und gezackte Risse zweigten wie ein gegabelter Blitz vom Hauptriß ab. Das scharfe Geräusch splitternden Glases drang zu ihnen, und sie schauten gelähmt vor Entsetzen zu, wie der Teil daneben ebenfalls zu springen begann. Sie sahen die dünnen Risse in unterschiedliche Richtungen wandern, ein Puzzlemuster auf dem belasteten Glas ein Spinnennetz bilden. Ein weiterer Krach, und der Teil auf der anderen Seite des Mittelstücks begann zu brechen. Dieses Mal zogen sich zwei Linien vom Boden hoch und vereinten sich oben.
Dann stürzten mit explosiver Wucht alle Teile nach innen und überschütteten die Menschen im Raum mit Tausenden scharfer Glassplitter. Es war ein Geräusch, als ob hundert Pistolen gleichzeitig abgefeuert würden. Bishop stürzte über das Sofa, seine Kleidung und sein Haar mit silbernen Splittern überzogen. Kulek drehte sich instinktiv um und duckte sich. Sein Morgenmantel war augenblicklich mit Glasnadeln gespickt. Der Schock hatte Jessica zurückwirbeln lassen. Die lange Couch zwischen ihr und dem Fenster schützte den größten Teil ihres Körpers; sie schrie, als ein Glasstück von der Größe eines Eßtellers an ihrem ausgestreckten Arm vorbeizischte. Das Sofa schirmte Edith Metlock und die kleine Frau völlig vor dem fliegenden Glas ab.
Bishop war auf den Boden gerollt und fiel über die verletzte Frau. Er lag für ein paar Augenblicke still, wartete darauf, daß das Läuten in seinen Ohren aufhörte und zwang sich dann, wieder aufzustehen. Er sah, daß Kulik sich auf Jessica zutastete und ihren Namen rief.
»Bei mir ist alles in Ordnung, Vater.« Sie stützte sich auf einen Ellbogen, und Bishop zuckte zusammen, als er den langen roten Riß auf ihrem Arm sah. Er erreichte sie in dem Augenblick, als Kulek sich vorbeugte, um ihr aufzuhelfen. Glasstücke fielen von ihrem Körper wie heruntergefegte Kristalle. An ihrer Stirn, an Hals und Händen waren viele winzige Schnitte, doch der Riß am Arm war am schlimmsten. Er stützte Jessica gemeinsam mit Kulek und die drei schauten zu der geborstenen Wand hinüber; kalte Luft floß ungehindert herein und ließ sie erschauern.
Da draußen war nichts als Schwärze.
Sie verhielten sich still, wagten kaum zu atmen und warteten darauf, daß etwas geschah. Die erste Gestalt tauchte auf, stand einfach jenseits des Lichtkreises, so daß der Körper nur undeutlich zu sehen war. Bishop bemerkte, daß er die Waffe hatte fallen lassen.
Die Gestalt trat aus der Dunkelheit über die Schwelle, in das Licht. Er stand da, den Kopf leicht seitwärts gewendet, mit blinzelnden Augen, als ob das Licht ihn schmerzte. Der Mann war schmutzig, seine Kleidung zerrissen und mit Dreck überzogen. Selbst in ihrem benommenen Zustand konnten sie den Hauch der Verwesung riechen.
»Wo ist er?« fragte Kulek leise, die Frage an Jessica und Bishop gerichtet. Keiner der beiden konnte antworten.
Der Kopf
Weitere Kostenlose Bücher