Dunkel
>Gutes< bewirken? Wie konnten Männer, von denen die Welt wußte, daß sie böse waren, behaupten, Gott sei auf ihrer Seite? Ende der siebziger Jahre - wer war böser, der diktatorische Schah von Persien oder der religiöse Fanatiker, der ihn stürzte, Ayatollah Khomeini? Idi Amin behauptete, mehrere Male mit Gott gesprochen zu haben. Hitler behauptete, Gott sei auf seiner Seite. Die jahrhundertelange Verfolgung der sogenannten Ketzer durch die Kirche ist noch immer ungeklärt. Diese Zweiteilung betrachtete Pryszlak als Voraussetzung dafür, daß der Mensch seine eigenen Kräfte erkennen, sein eigenes Schicksal bestimmen könne. Der Mensch habe seine eigene Todsünde entdeckt und herausgefunden, daß sie nicht so schlimm sei, wie die Kirche immer gelehrt hatte. Satan sei jetzt zu einem Quell der Lächerlichkeit geworden, zu etwa Unterhaltendem. Zu einem lustigen Mythos. Einem Gespenst. Und Böses käme allein aus dem Menschen.
Pryszlak glaubte, daß das Böse ein physisches Energiefeld in unserem Verstand sei. Und so, wie wir lernen, unsere Psi Fähigkeiten zu gebrauchen — Energien wie Telekinese, Außersinnliche Wahrnehmung, Telepathie und Telergie —, so könnten wir auch lernen, diese andere Kraft physisch zu nutzen.«
Kulek hielt inne, als wolle er den Polizisten ermöglichen, all seine Gedanken zu verarbeiten. »Ich glaube, daß Pryszlak sein Konzept bis zum Ende weiter entwickelt hat: Er hat die Quelle seiner Energie entdeckt und benutzte sie. Ich glaube, daß er sie jetzt benutzt.«
»Das ist unmöglich«, sagte Peck.
»Viele Dinge in unserem Leben, die man einmal für unmöglich gehalten hat, sind durch die Wissenschaft erreicht worden, und das Wissen auf jedem Gebiet der Technologie vergrößert sich. Der Mensch hat in den letzten hundert Jahren mehr erreicht als in den vorangegangenen zweitausend.«
»Aber um Himmels willen, Pryszlak ist tot!«
»Ich glaube, er mußte sterben. Ich bin der Überzeugung, daß Boris Pryszlak und seine Anhänger - zu dieser Energie geworden sind.«
Peck schüttelte den Kopf. »Bedaure, aber Sie wissen, daß ich Ihnen das nicht abnehmen kann.«
Kulek nickte. »Das habe ich nicht von Ihnen erwartet. Ich wollte nur, daß Sie eine Theorie hören, von deren Richtigkeit ich überzeugt bin. Sie werden Grund haben, über sie in den nächsten Wochen weiter nachzudenken.«
»Was meinen Sie damit?«
»Der Wahnsinn wird schlimmer werden. Er wird sich wie eine Krankheit ausbreiten. Jede Nacht wird es mehr geben, die seinem Einfluß unterliegen, und je mehr Hirne er ergreift, desto stärker wird er wachsen. Es wird wie ein Regentropfen auf einer Fensterscheibe sein: Ein kleiner Tropfen wird in den darunter laufen, dann beide zusammen in den darunterhängenden — sie werden größer und schwerer, bis sie zu einem schnell fließenden Rinnsal werden.«
»Warum nachts? Warum, sagen Sie, geschehen diese Dinge nur, wenn es dunkel ist?«
»Ich bin nicht sicher, warum es so sein muß. Wenn Sie die Bibel lesen, dann sehen Sie, daß das Böse stets als Dunkelheit bezeichnet wird. Vielleicht hat diese Terminologie mehr Bedeutung, als wir glaubten. Tod ist Dunkelheit, die Hölle liegt in der dunklen, schrecklichen Unterwelt. Der Teufel ist immer als Fürst der Finsternis bekannt gewesen. Und wird Böses nicht als Dunkelheit in einer Seele bezeichnet?
Es könnte sein, daß die Dunkelheit der physische Verbündete dieser Energieform ist. Vielleicht ist das biblische Konzept des ständigen Kampfes zwischen Licht und Dunkel tatsächlich ein wissenschaftliches Konzept. Welche Energie auch immer Lichtstrahlen enthalten mögen, ob sie nun von der Sonne stammen oder künstlich sind, es könnte sein, daß sie gegen die katalysierenden Kräfte der Dunkelheit wirken.
Pryszlak führte vieles von dem bei unserem letzten Treffen aus, und ich muß zugeben, daß ich, obwohl ich seine Ideen oft faszinierend fand, damals glaubte, Wahnsinn sei in seinem Denken. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«
Kuleks Gestalt schien sich in seinem Sessel unmerklich zu entspannen und Peck bemerkte, daß der beunruhigende Vortrag des Mannes vorüber war. Er schaute jede Person in dem Raum an und sah, daß sich sogar Ropers heimlich-höhnisches Grinsen verflüchtigt hatte.
»Ihnen ist klar, das alles, was Sie mir gerade erzählt haben, für meine Ermittlungen völlig nutzlos ist, nicht wahr?« sagte er barsch zu Kulek.
»Ja. Heute noch. Aber ich denke, Sie werden Ihre Meinung bald ändern.«
»Weil mehr
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