Dunkel
ätherische Kraft zu unterstützen.«
Peck und Roper wechselten einen unbehaglichen Blick. »Könnten Sie genauer erklären, was Sie mit ätherischer Kraft< meinen?«
»Eine Kraft, die nicht von dieser Welt ist, Inspektor.«
»Ich verstehe.«
Kulek lächelte. »Sie können darauf wetten — wenn ich fertig bin, werden Sie einen Sinn darin sehen.«
Peck hoffte das, aber er hätte nicht darauf gewettet.
»Als Boris Pryszlak vor ein paar Jahren zu mir kam und
meine
Hilfe wollte, erzählte er mir, daß er ein Mann sei, der nicht an die Existenz Gottes glaube. Für ihn war Wissenschaft der Schlüssel zur Erlösung der Menschheit, nicht Religion. Krankheiten und Entbehrungen würden durch Technologien überwunden, nicht durch Gebet. Unsere ökonomischen und sozialen Fortschritte seien durch den wissenschaftlichen Fortschritt erreicht worden. Die Entscheidung, neues Leben zu erschaffen, läge jetzt bei uns; selbst das Geschlecht der Neugeborenen würde eines Tages von uns bestimmt werden. Den Tod selbst könne man, wenn auch nicht beseitigen, so doch zumindest hinauszögern. Unser Aberglauben, unsere Vorurteile und unsere Ängste wären angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse überholt. Weltkriege wären nicht durch göttliche Intervention praktisch unmöglich geworden, sondern weil wir selbst Waffen geschaffen hätten, die zu schrecklich seien. Alte Barrieren seien abgebrochen worden, neue Barrieren zerstört -durch die Genialität der Menschheit selbst, nicht durch ein Überwesen im Himmel.
Pryszlak behauptete, daß wir eines Tages sogar wissenschaftlich entdecken würden, wie diese Genialität zu erlangen sei; daß wir tatsächlich nicht durch einen mystischen Jemand, sondern durch uns selbst erschaffen worden wären. Wir würden durch die Wissenschaft beweisen, daß es keinen Gott gäbe.«
Kulek hatte die Worte ruhig gesprochen, seine Stimme war weich und gleichmäßig, aber Peck konnte Pryszlaks Wahnsinn darin spüren. Es war die kalte Logik eines Fanatikers, und Peck wußte, daß die am gefährlichsten waren.
Der blinde Mann fuhr fort: »Wenn es also keinen Gott gäbe, könne es auch keinen Teufel geben. Doch als Pragmatiker konnte Pryszlak die Existenz des Bösen nicht leugnen.
Durch die Jahrhunderte hatten religiöse und mystische Führer immer mit dem Aberglauben und dem Nichtwissen ihrer Gefolgsleute gespielt. Die Kirche hatte stets gesagt, daß Satan eine Realität sei, denn durch ihn konnte die Existenz Gottes bewiesen werden. Freud hatte die Kirche und die Sektierer gleichermaßen damit bestürzt, daß er erklärte, jeder von uns habe eine Phase individueller Entwicklung durchlebt, die den animistischen Zustand des primitiven Menschen entspräche.
Und keiner von uns habe sie durchwandert, ohne gewisse Reste zurückzubehalten, die reaktiviert werden könnten. Alles, was uns jetzt als >nicht geheuer erscheint erfüllt diese Reste in uns mit animistischer mentaler Aktivität.«
»Sie wollen damit sagen, daß irgendwo hier drin« — Peck tippte an seine Stirn — »ein Teil von uns noch immer an diesen Unsinn mit >bösen Geistern< glauben will?«
»Freud sagte das, und in vielerlei Hinsicht glaube ich, daß er recht hatte. In Tausenden von Fällen, bei denen geistliche Exorzisten versucht haben, gestörte Männer und Frauen von der sogenannten teuflischen Besessenheit zu befreien, hat eine vernünftige Untersuchung eine ganze Bandbreite von Psychosen bei diesen Menschen ergeben. Philosophen wie Schopenhauer waren der Ansicht, daß das Böse der Angst des Menschen vor dem Tode entspränge, seiner Furcht vor dem Unbekannten. Es war der Überlebenswille des Menschen, der den Krieg auf die Welt brachte. Aber die eigene Schlechtigkeit mußte auf etwas Anderes — auf jemand anderen — zurückzuführen sein: Satan war der ideale psychologische Sündenbock. Auf dieselbe Weise brauchte der Mensch wegen der Mißgeschicke, die ihm sein Leben lang widerfuhren, und wegen seiner Unzulänglichkeiten einen Gott, etwas Überlegenes, jemand, der ihm helfen konnte, jemand, der ihm am Ende die Antworten auf alle Fragen geben würde. Jemand, der ihn führte.
Zum Pech für die Kirche ist jetzt das Zeitalter der Vernunft da; man könnte vielleicht sagen, daß Bewußtseinserweiterung der größte Feind der Religion gewesen ist. Die Grenzen sind verschwommen, Fragen werden gestellt: Wie konnten Ungerechtigkeiten begangen werden, um Recht zu erlangen? Kriege, Morde, Hinrichtungen - wie können >schlechte< Taten
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