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Dunkelerde: Gesamtausgabe

Dunkelerde: Gesamtausgabe

Titel: Dunkelerde: Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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großem Erstaunen. Noch vor Minuten hätte sie eher angenommen, nichts mehr könnte in ihr überhaupt noch so etwas wie Erstaunen hervorrufen, nach alledem, was sie innerhalb von nur einem Tag alles hatte erfahren müssen - in seiner fantastischsten Art. Und doch war der Vorgang dermaßen verblüffend, dass ihr schier der Atem weg blieb.
    Sie spürte, dass es Pet an ihrer Seite genauso erging. Er vergaß beinahe darüber, die rituellen Worte weiterhin zu murmeln, damit der Kontakt mit Dunkelerde nicht abriss:
    Während die Unterlegenen starben, wurden sie wieder... zu Schatten, aus denen sie einst geboren worden waren! Ihre Schatten flatterten davon, unsichtbar für alle anderen, außer für Jule und Pet, irgendwohin ins Zwischenreich zwischen Schattenerde und Hellerde. Nicht für immer, denn sie wurden wiedergeboren, wurden wieder der selbe belebte Schatten, als Abbild einer Person, wie sie vor Jahrhunderten auf Erden tatsächlich gelebt hatte. Das absolut Besondere daran war jedoch - und das war es letztlich, was die beiden Beobachtenden am meisten in Erstaunen versetzte: Die zu neuem Leben erwachten Schatten wussten nichts mehr von ihrer Vorexistenz. Sie fingen gewissermaßen ganz von vorn wieder an, nämlich als frisch geborenes Baby, um nach vielen Jahren wieder derjenige zu werden, wie er einst auf Erden gelebt hatte und sich nun als wiederbelebter Schatten an Dunkelerde anpassen musste...
    Es beschäftigte sie beide so sehr, dass sie nur relativ wenig von der Szene im Lagerraum mit bekamen. Sie wohnten unsichtbar der Szene bei, im Hintergrund des Lagers, als würden sie sich in das Halbdunkel hinter dem Magier ducken, obwohl sie doch gar nicht gegenständlich auf Dunkelerde waren.
    Und da geschah es - für beide völlig überraschend: Der Magier bemerkte sie! War Pet bei seinen Beschwörungen nicht vorsichtig genug gewesen? Hatte er sich von seinen eigenen Gedanken zu sehr ablenken lassen und hatte daher Fehler begangen bei der Beschwörung? Er hätte später schwören mögen, dass er niemals die rituellen Worte zur Öffnung des Tores gesprochen hatte, sondern lediglich die Schaltwörter für das Sichtfenster nach Dunkelerde. Aber wie kam es dann, dass der Magier sie entdeckte und nach ihnen sogar greifen konnte?
    Das hieß, eigentlich griff er nur nach Pet, nicht nach Jule. Seine Hände reichten nicht bis ins Diesseits. Das brauchten sie auch gar nicht, weil sich die beiden nicht mehr völlig im Diesseits befanden, sondern nur noch teilweise. Sonst hätten sie keine freie Sicht auf das Geschehen gehabt, wie es sich auf Dunkelerde abspielte. Der Magier packte mit Brachialgewalt nach Pet, dass dieser die Beschwörung abbrach und schmerzerfüllt aufschrie.
    Jule wiederum packte ebenfalls nach Pet, um ihn zu retten, um ihn wieder den Händen des Magiers zu entreißen. Auch sie schrie, jedoch nicht vor Schmerz, sondern verzweifelt den Namen ihres geliebten Freundes: „Pet!”
    Doch der Magier zerrte mit solcher Kraft an Pet, dass Jule einfach keine Chance hatte. Sie hatten letztlich beide keine Chance, vor allem, da der Überraschungsmoment zu hundert Prozent auf der Seite des mächtigen Magiers war.
    Und so taumelten sie beide hinüber. Pet zuerst, zu Boden stürzend, sobald der Magier ihn wieder frei ließ und Jule hinterdrein, bis sie am Ende über ihn fiel, sich unwillkürlich krümmte, um nicht böse mit dem Kopf auf den roh gezimmerten Planken aufzuschlagen.
    Sie blieb für Sekunden benommen liegen und bekam den Rest nur noch wie aus weiter Ferne mit:
    Pet fing sich schneller: Er schaute den Bogenschützen an, sah die Spitze des tödlichen Pfeils, die ihn ihm nächsten Moment durchbohren würde und wusste gleichzeitig, dass er nicht die geringste Möglichkeit hatte, etwa auszuweichen. Der Pfeil würde auf jedenfalls schneller sein.
    „Nein, halt!”, brüllte Koschna-Perdoschna auf einmal befehlsgewohnt und drückte die tödliche Pfeilspitze zur Seite.
    Pet wollte aufatmen, weil ihm dieser Barbar damit offensichtlich das Leben rettete, aber da rief der Magier anklagend:
    „Doch, tötet sie! Sie müssen sterben!”
    Koschna schaute zu den beiden Jugendlichen und dann zu dem Magier.
    „Aha?” So etwas wie ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, was bei seinem wilden, normalerweise hellem, aber vom Schmutz gelblich-braun gefärbten Bart kaum erkennbar war. „Was weckt in dir so sehr das Interesse, dass sie sterben sollen? Gehören sie denn nicht zu dir? Hast du sie nicht hier vor uns verstecken

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