Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)

bekanntgemacht. Matt hatte seine Karriere gefördert. Gary war sein Freund gewesen und hatte ihn moralisch unterstützt. Warum also sollte Jim sie umbringen?
    Vanessa ließ Christians Hand los und massierte sich mit zwei Fingern die Stirn, hinter der ein heftiger Schmerz zu pochen begann.
    »Ich weiß es nicht«, brachte sie nach einer Weile hervor. »Herrgott, jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr.«
    »Wir tun alles, um der Sache auf den Grund zu gehen«, sagte King. »Allerdings finde ich es eher unwahrscheinlich, dass Ihr Mann damals dem Missouri entstiegen ist, sich zwei Jahre lang versteckt gehalten hat und nun plötzlich auftaucht, um seine Freunde umzubringen.« Er nahm Vanessa das Foto ab. »Ich muss Sie beide bitten, die Sache mit dem Pinselstrich für sich zu behalten. Dieses Detail haben wir der Öffentlichkeit noch nicht mitgeteilt.«
    »Ist Vanessa in Gefahr?«, fragte Christian.
    »Die Frage kann ich nicht beantworten«, erwiderte King. Dann runzelte er nachdenklich die Stirn. »Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass im Leben der drei Männer irgendetwas Seltsames geschah, bevor sie ermordet wurden. Keine anonymen Anrufe, keine zerschnittene Kleidung, nichts dergleichen. Möglicherweise haben die Dinge, die Ihnen gerade passieren, nichts mit den Morden zu tun. Trotzdem würde ich Ihnen raten, auf der Hut zu sein.«
    Vanessa stand auf. Sie verspürte auf einmal das dringende Bedürfnis, das Polizeirevier zu verlassen. Irgendwie hatte sie gehofft, Unterstützung und Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, stattdessen fühlte sie sich vollkommen taub und wollte einfach nur noch weg von diesem Ort, diesem Detective und dem verdammten Foto.
    »Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben, Detective«, sagte Christian.
    »Wenn noch irgendetwas vorfallen sollte, Mrs. Abbott, rufen Sie mich bitte an«, sagte King, doch Vanessa hatte das Gefühl, er sagte das nur, um sie zu beruhigen.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Christian, als sie auf dem Bürgersteig standen.
    »Ich weiß es nicht. Wir werden wohl abwarten müssen, was als Nächstes passiert«, erwiderte sie. Dann schlug sie den Mantelkragen hoch, um sich vor dem schneidenden Wind zu schützen, und fragte sich, ob ihr wohl jemals wieder warm werden würde.

    Tyler King blieb in der Stille des kleinen Vernehmungsraums sitzen, nachdem Vanessa Abbott und Christian Connor gegangen waren, und dachte nach.
    Er trommelte mit den kurzgeschnittenen Fingernägeln auf die Tischplatte, ließ seinen Gedanken freien Lauf. Anfangs hatte er Vanessa Abbotts Theorie für Unsinn gehalten, hatte angenommen, dass sie ihren Mann aus irgendwelchen verrückten Gründen von den Toten zurückholen wollte. Jetzt war er sich da nicht mehr so sicher.
    Im Allgemeinen war ein Sprung von der Broadway Bridge tödlich. Aber King wusste auch, dass es möglich war, ihn zu überleben.
    Welches Motiv könnte Jim Abbott also gehabt haben, sich zwei Jahre lang zu verstecken? Und was könnte ihn veranlasst haben, nun wieder aufzutauchen?
    Ein Gedanke schoss King durch den Kopf. War die Verkaufsausstellung in Andre’s Gallery womöglich der Auslöser gewesen? War es möglich, dass die Vorstellung, seine Frau könnte ein letztes Mal Kapital aus seinem Talent schlagen, Jim Abbott aus dem Versteck gelockt hatte, und er sich an ihr rächen wollte?
    Als sie damals den Fall untersuchten, sagte Vanessa Abbott aus, sie und ihr Mann hätten keine Probleme miteinander gehabt. Inzwischen hatte Tyler King allerdings den Eindruck, dass zwischen den beiden vielleicht doch nicht alles so rosig gewesen war.
    Der Detective war regelrecht elektrisiert von dem Gedanken, dass Jim Abbott womöglich das fehlende Bindeglied war, der Schlüssel zur Aufklärung der Mordfälle, die ihn verfolgten.
    Es war Abbotts Werk, das an dem Abend, als Andre Gallagher ermordet wurde, zum Verkauf stand. Matt McCann war Jim Abbotts Agent gewesen und Gary Bernard sein Freund.
    Ich mal dich rot. Vanessa Abbott hatte gesagt, diese Formulierung habe er immer benutzt, wenn er etwas zerstören wollte, dass er so einen roten Strich über Bilder gezogen habe, mit denen er unzufrieden war. Ich mal dich rot.
    Tyler King verließ den Vernehmungsraum und machte sich auf die Suche nach seiner Partnerin. Sie saß im Pausenraum, nippte an einer Cola light und aß Chips. »Treiben Sie Officer Albright und Officer Ricci auf und bitten Sie sie um eine Kopie des Protokolls, das sie gestern Abend bei Mrs. Abbott aufgenommen haben«,