Dunkelheit soll dich umfangen: Thriller (German Edition)
einen Schlag aus. O Gott! Letzte Woche hatte Alicia Vanessas Angebot noch vehement abgelehnt. Was wusste sie? War das jetzt ein Versuch, Vanessa zum Reden zu bringen, damit sie sich insgeheim daran weiden konnte, was sie angerichtet hatte?
»Das Kleid ist mir am Wochenende leider kaputtgegangen«, erwiderte Vanessa.
Alicias Augen verengten sich. »Ehrlich, Vanessa, wenn Sie es sich anders überlegt haben, sagen Sie’s doch offen – ohne Ausrede.«
»Das ist keine Ausrede, Alicia«, protestierte Vanessa.
Alicia wirbelte auf ihrem Schreibtischstuhl herum und starrte auf den Bildschirm. »Wie Sie meinen«, fauchte sie.
Vanessa seufzte. Irgendwie musste sie es schaffen, diesen Tag zu überstehen; danach hatte sie zwei Wochen frei. Und diese zwei Wochen – ohne Alicias Launen und ohne Arbeit – brauchte sie dringend. Sie sehnte sich nach Ruhe, Ausschlafen, einem fröhlichen Weihnachten und viel Zeit mit Christian und Johnny.
Der Tag zog sich endlos in die Länge. Am Vormittag besichtigte Vanessa mit den Worths drei Häuser, von denen Kate Worth keins gefiel.
Um halb zwei war die Tour beendet, danach war Vanessa mit einem älteren Ehepaar verabredet, das ein kleineres Haus suchte.
Die Perricios waren reizende Leute mit viel Zeit, und so wurde es deutlich später, als Vanessa gehofft hatte.
Es war fast sechs, als sie endlich bei ihren Schwiegereltern in die Einfahrt bog, um Johnny abzuholen. Als sie aus dem Wagen stieg, versuchte sie abzuschalten, alles hinter sich zu lassen, die giftige Alicia, die Arbeit, all die Bedrückungen der letzten Zeit, und sich auf die Ferien mit ihren Feiertagen zu konzentrieren.
Vanessa und Johnny gingen noch kurz ein paar Geschenke einkaufen, und um neun Uhr lag Johnny im Bett. Vanessa setzte sich ins Wohnzimmer und lauschte auf die Stille im Haus.
Als das Telefon klingelte, fuhr sie zusammen, doch dann erkannte sie Christians Nummer auf dem Display.
»Alles in Ordnung bei dir?«, fragte er.
»Ja, besonders jetzt, wo ich mit dir spreche.«
»Wie war dein Tag?«
»Lang und anstrengend. Außerdem habe ich Alicia wütend gemacht.« Sie erzählte ihm die Kleiderstory.
»Bis du im neuen Jahr wieder ins Büro kommst, hat sie das Kleid wahrscheinlich längst vergessen«, meinte er.
»Bestimmt hast du recht.« Vanessa stand vom Sofa auf und ging, das Telefon am Ohr, in die Küche. »Und wie war dein Tag?«
Während er erzählte, setzte Vanessa Teewasser auf. »Hast du vor, am Donnerstagabend zu uns zu kommen?«, fragte sie.
»Klar doch. Es gibt niemanden, mit dem ich den Weihnachtsabend lieber verbringen würde als mit euch.«
»So gegen sechs könnten wir essen.«
»Okay«, sagte er. »Bist du sicher, dass bei dir alles in Ordnung ist?«
Ihr Seufzen wurde vom schrillen Pfeifen des Wasserkessels übertönt. Sie nahm ihn schnell vom Herd und goss ihren Tee auf. »Ja, wirklich, es geht mir gut. Ich bin fest entschlossen, mir weder Weihnachten noch Silvester noch die Ferien verderben zu lassen. Heute Nacht schlafe ich sogar wieder in meinem eigenen Bett.«
»Ich wünschte, ich könnte bei dir sein.«
Sie lächelte und drückte den Hörer fester ans Ohr. »Ich auch. Ich hoffe, du verstehst, warum ich im Moment nicht möchte, dass du hier übernachtest, wenn Johnny da ist.«
»Das verstehe ich vollkommen«, versicherte er ihr. »Und ich respektiere dich dafür.«
»Ein bisschen Respekt, das ist alles, was eine Frau wirklich will«, sagte Vanessa scherzhaft und wurde dann wieder ernst. »Ich danke dir, Christian.«
»Wofür?«
»Dafür, dass du trotz aller Probleme bei mir bleibst.«
»Vanessa, hast du es noch nicht gemerkt? Ich liebe dich.«
Bei diesen Worten durchflutete sie eine wohlige Wärme. »Du hast mir gerade das schönste Weihnachtsgeschenk gemacht, das ich mir vorstellen kann«, sagte sie leise.
»Das nächste Mal, wenn ich mit dir alleine bin, bekommst du das zweitschönste Weihnachtsgeschenk«, sagte er, und seine Stimme klang eine Spur heiser. Vanessa lachte. »Wir machen jetzt wohl besser Schluss. Sonst brauche ich noch eine kalte Dusche.«
»Schlaf gut und ruf mich an, wenn irgendwas ist. Auch wenn du nur reden willst oder schlecht geträumt hast oder so.«
»Christian? Ich liebe dich auch.«
»Wir stehen diese Sache gemeinsam durch«, sagte er sanft. »Wir werden sehr glücklich zusammen sein, wir drei.«
Vanessa legte auf, und Christians Worte hallten in ihrem Innern nach und verliehen ihr Kraft. Sie hatte das Gefühl, nichts und niemand könne ihr
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