Dunkelkammer: Frank Wallerts erster Fall (German Edition)
sofort.
„Das ist Janine! Janine Weber, 12 Jahre alt! Ihre Mutter ist alleinerziehend.“
Das Bild lief weiter, und es folgte ein Schnitt. Jetzt saß das Mädchen offensichtlich auf einem Stuhl in einer Küche.
„Das ist ihre Küche“, fuhr Ina fassunglos fort, „in ihrer eigenen Wohnung! Ich kenne die Wohnung, weil ich Mutter und Kind vor etwa einem Jahr nach der Trennung von ihrem Mann betreut habe!“.
Inas Stimme veränderte sich, während sie sprach. War sie vorher noch phasenweise zitternd und unsicher, so hatte sie inzwischen eine fast erschreckende Härte, und Frank meinte, auch eine gehörige Portion Wut herauszuhören. Er zwang sich, Ina nicht anzusehen, und protokollierte wörtlich, was sie sagte. Britta klappte den Monitor ein und stand auf.
„Pause!“, sagte sie, denn die erste halbe Stunde war schon um einige Minuten überschritten. Alle erhoben sich und schienen sich lockern zu müssen, denn jeder drehte entweder den Kopf oder vollführte irgendeine andere an Gymnastik erinnernde Bewegung. Jetzt kam Ina zu Frank und schmiegte sich kurz an ihn. Er umschloss sie gerne mit den Armen, registrierte aber, dass Maren die Szene mit undeutbarem Gesichtsausdruck beobachtete. Nach einem kurzen Moment löste sich Ina aus Franks Armen. Sie sprach Britta an.
„Wenn wir in diesem Tempo weiter machen, sind wir heute Nacht noch nicht fertig.“
„Mag sein“, erwiderte Britta, „unterschätze aber die nervliche Belastung nicht! Was du dir da anschaust, ist schon starker Tobak. Geh mit dem Tempo vor, das du für richtig hältst, aber bei der Pauseneinteilung bleibt es! Auch wir Profis halten die Pausen ein, und wir schauen uns ständig solchen Dreck an!“.
Frank nickte Ina bestätigend zu, denn er wusste, dass Britta mit diesen Sachen langjährige Erfahrung hatte. Bei allem Eifer, mit dem Ina jetzt an die Sache heranging, um die Täter zur Strecke zu bringen, durfte sie ihre eigene Psyche, ihre Gesundheit nicht gefährden.
In den letzten Videos erkannte Ina keines der Kinder, und auch Räume konnte sie nicht zuordnen. Allerdings gaben Britta und Ina zu Protokoll, dass fünf der acht Videos offensichtlich in der gleichen Wohnung gedreht worden waren, während die restlichen drei Filme jeweils andere Wohnungen zeigten. Nach dem letzten Video machten sie eine längere Pause. Britta kochte Kaffee und Frank erläuterte Maren am Rechner, wie sie das Protokoll weiter führen sollte, denn sie übernahm diesen Part nun. Nach Tagen nahm er zum ersten Mal wieder die Nähe Marens wahr, denn er stand während der Erklärungen leicht gebeugt hinter ihrem Stuhl. Einmal hatte er auch kurz den Eindruck, dass sie sich während dieser Situation leicht gegen ihn gelehnt hatte. Ina stand mit ihrer Tasse in beiden Händen am Fenster und schaute mit ruhigem Blick in das Grau dieses Aprilsonntags.
Als sie am späten Sonntagabend den Laptop ausschalteten und Britta ihn in einem Safe in ihrem Büro verstaute, hatten sie ein 27-seitiges Protokoll fertiggestellt – ein Protokoll gestohlener Kindheiten und verletzten Lebens. Als sie die Fotos gesichtet hatten, waren sie auf ein Bilderverzeichnis mit der Bezeichnung „Caroline“ gestoßen, wobei sich für sie das Rätsel um die leere CD-Hülle aus dem Toyota gelöst hatte. Insgesamt konnte Ina drei Kinder identifizieren, die sie aus ihrer Arbeit heraus in früheren Zusammenhängen kennengelernt hatte. Es handelte sich dabei um das zwölfjährige Mädchen aus dem Video und darüber hinaus um einen elfjährigen Jungen und ein etwa siebenjähriges Mädchen. Zusammen mit Steffie Wibert waren ihnen also vier Kinder bekannt. Für Brittas Abteilung würde es morgen um zwei Dinge gehen: erstens müssten sie die Eltern und Kinder aufsuchen, notfalls die Kinder auch aus den jeweiligen Schulen holen, und befragen. Zweitens müssten sie unter Vorlage des Laptops und des Protokolls einen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung dieses Robert beantragen und die Durchsuchung auch durchführen. Auch eine eventuelle Verhaftung des Wohnungsinhabers mussten sie vorbereiten.
Frank ging anschließend mit Maren und Malte noch in sein Büro. Ina war mit den Nerven ziemlich am Ende und fuhr nach Hause.
„Was machen wir morgen? Abwarten und Däumchendrehen?“, fragte Malte, kaum dass sie durch die Tür getreten waren.
„Sicher nicht! Mir sind heute ein paar Dinge durch den Kopf gegangen. Deshalb habe ich euch noch zu dieser Besprechung gebeten.“
Frank rekapitulierte aus dem Stand die Geschehnisse
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