Dunkelmond
Flammen, durch die sich schwarzbrauner Rauch zog, in der grünen Iris glitzern zu sehen.
Ein neuer Schmerz durchzuckte ihn. Er war nicht körperlich und trieb ihm endgültig die Tränen in die Augen.
Wieder hatte er Mühe, den einen Elben-Zwilling vom anderen zu unterscheiden. Der eine hatte ihm den Vater genommen, der andere die Schwester.
»Mein Fürst«, brachte er schließlich mühsam hervor. »Was lässt Euch glauben, dass sie mit mir gemeinsam floh?«
Die Spitze des daikons bohrte sich tiefer in Sinans Brust.
»Ich …« Telarion zögerte kurz, als erschrecke ihn der Gedanke, dass Sinan vielleicht tatsächlich nicht wusste, wo sich seine Gefangene aufhielt. »Ich bin dessen sicher!«, stieß er dennoch hervor.
Plötzlich tauchte ein Soldat auf und blieb atemlos neben demHeermeister stehen. »Mendaron, wir haben alles durchsucht. Sie ist nicht hier.«
Der Heermeister fuhr herum, doch er sagte nichts. Überrascht und auch bitter stellte Sinan fest, dass diese Nachricht Telarion Norandar im Innersten traf.
Sinan hatte geahnt, dass seine Schwester sich diesem Elb ausgeliefert hatte. Nun wurde diese Ahnung zur absoluten Gewissheit. Der Fürst von Norad, Zwilling des Mannes, der Siwanon Amadian getötet hatte, hatte seine Seele mit Sinans Schwester verbunden.
Und das Schlimmste war: Sie hatte es zugelassen. Sanara hatte diesem Elben, diesem kalten Mörder zuliebe, ihr Volk, ihr Haus und ihn, ihren Bruder, verraten.
Verachtung wallte in dem Schmied auf. Und Trauer, denn nun hatte er seine Schwester endgültig verloren. Er war jetzt der Letzte seines Hauses.
Sinan musste wieder tief atmen, um den Schmerz in der Hand und nicht zuletzt den in seiner Seele unter Kontrolle zu bringen.
Als er wieder aufsah, stand Telarion Norandar immer noch reglos vor ihm. Für einen Augenblick glaubte Sinan, Tränen in die Augen des Fürsten treten zu sehen. Tränen der Enttäuschung, Tränen der Trauer.
Doch der Eindruck währte nicht lange.
»Ich war bei ihrer Flucht dabei, Fürst. Doch sie ging in eine andere Richtung davon als ich«, sagte er. »Und ich bin froh darüber. Wie hätte ich mit einer reisen können, die ihre Seele mit einem Elben verbunden hat!«
Telarion Norandars Augen weiteten sich.
Sinan schnaubte. »Glaubt Ihr, man sähe es Euch nicht an? In Euren Augen lodert das Feuer meines Hauses, so wie ich in Sanara den Wind des Hauses Norad sah. Und so gilt ihr wie Euch meine Verachtung.«
Der Heermeister trat vor und stieß Sinan wuchtig gegen dieStirn, sodass er mit einem Stöhnen zu Boden sank. Mit einer heftigen Bewegung packte der Heermeister mit der Linken den Kragen von Sinans Tunika, die er unter dem Lederwams trug, damit sie nicht zu sehr auf der Haut reibe, und riss sie mit der Rechten zur Seite, sodass Sinans linke Brust entblößt war.
Die eisigen Finger, die Sinan berührten, erstarrten, als der Heerführer sah, welches Hauszeichen Sinan trug. Der Schmied hätte schwören können, dass er noch bleicher wurde, als er ohnehin schon war.
»Der achtzackige Diamant mit der Sonnenechse«, murmelte der Zwilling des Königs. »Das Zeichen des Hauses Amadian.« Er hob den Kopf und betrachtete Sinan genauer. »Deine Augen haben die gleiche Farbe wie ihre«, stellte er leise fest.
Sinan bemerkte die Sehnsucht, die in der Stimme des Heermeisters mitschwang. Ihm wurde übel, und er wusste nicht, ob es am Schmerz in der Hand lag oder daran, dass er seine Schwester an diesen Elben verloren hatte.
»Du bist der Sohn des Mannes, der meinen Vater qualvoll sterben ließ, so wie sie seine Tochter ist«, spie der Fürst jetzt hervor. »Und sie ging nicht mit dir? Du wolltest sie wohl beschützen! Darin gleichst du deinem verbrecherischen Vater. Siwanon selbst schützte die Seinen bis zuletzt, wusstest du das? Er gab nicht nach, er wollte mir und meinem Bruder nicht dienen, um sein Verbrechen wieder gutzumachen und ließ sich lieber qualvoll töten. Ich hätte erkennen müssen, dass du sein Sohn bist, und dir gleich bei unserer ersten Begegnung die Kehle durchschneiden sollen.«
Sinan versuchte, die Hand des Fürsten fortzuwischen, doch seine Rechte hatte keine Kraft mehr. Vielleicht würde sie nie mehr zurückkehren.
»Ich wünschte wahrlich, mein Vater hätte den Euren umgebracht und Euren Bruder und Euch gleich mit!«, stieß er bitter hervor. »Doch auch wenn ich Siwanon bis heute übelnehme, dass er meine Familie, meine kleine Schwester und die Shisans desAbends, nicht rettete, indem er Eurem verräterischen
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