Dunkelmond
verstand.
Er sah auf. Ronan saß auf dem anderen Ende des lannon und hatte seine pathi neben sich gelegt.
»Was meinst du?«
»Du bist auf den Vorschlag des Heermeisters nicht eingegangen, weil du Tarind etwas beweisen wolltest.«
Sinan starrte den Musikanten an. Konnte er Gedanken lesen?
Ronan erwiderte den Blick und kam näher. Er sah auf Berennis hinab. »Du hast deine Gedanken laut ausgesprochen«, sagte er dann. Für einen Augenblick glaubte Sinan, er wolle noch etwas hinzufügen, doch dem war nicht so.
»Ich hätte Hedruf fortschicken können. Ich hätte nur mich dem Zorn des Königs aussetzen dürfen.«
»Jemand musste das Feuer deiner Esse schüren, während du deine Magie wirkst. Tarind war darauf aus, jemanden für das Erdbeben zu strafen. Doch er wusste, dass du der einzige Schmied bist, der seinem Bruder, den er selbst zum Befehlshaber seines Heers ernannt hat, ein angemessenes Schwert fertigen kann.«
Ronan machte eine Pause und lauschte dem aufgeregten Streit vor der Hütte, den Githalad bisher nicht hatte beruhigen können.
»So hat er seine Wut nicht an mir ausgelassen, sondern an Berennis und Hedruf – meinst du das?«, stieß Sinan bitter hervor. »Wozu? Damit ich für Telarion Norandar, der die Menschen sogar noch mehr verachtet, als sein Zwilling es je könnte, ein Schwert schmiede? Sodass er noch mehr Menschen niedermetzeln kann als ohnehin schon?«
Ronan antwortete nicht sofort. »Hörst du das?«, fragte er schließlich. »Sie rufen nach jemandem, der stark genug ist, den Elben entgegenzutreten und sie aus dieser Lage zu befreien.«
»Was habe ich damit zu tun?«, erwiderte Sinan und nahm das feuchte Tuch von Berennis’ Stirn. Er faltete es sorgfältig auseinander, tränkte es erneut mit dem wärmenden Sud aus Kräutern und zerdrückten Bohnen des Feuerstrauchs, deren Saft prickelte und die Zunge verbrennen konnte. Eigentlich würzten diese länglichen Bohnen die Eintöpfe und wurden von den Frauen als Gemüse eingelegt. Doch sie wärmten auch, wenn in einem Menschen die Kälte überhandnahm.
»Du hast dich auch bisher um sie gekümmert, mehr, als du selbst glaubst und als sie wissen. So etwas tun wahre Führer«, sagte Ronan, nahm die pathi auf seinen Schoß und begann, scheinbar gedankenverloren darauf herumzuklimpern. »Sie hatten das Feuer dir zu verdanken. Das wussten sie nicht, und doch haben sie es genossen. Und sie haben es dir – und in gewisser Weise auch Hedruf – zu verdanken, dass dieser verblendete Wassermagier nicht alle Erd- und nun auch Feuermagier unter ihnen hat töten lassen. Du hast keine Schuld.«
Die Töne, die Ronan seinem Instrument entlockte, schwebten durch die Luft und erinnerten Sinan an die sanfte Berührung von Berennis’ Fingern auf seiner Haut oder das verklungene Lachen von Hedruf.
»Ein uraltes Sprichwort sagt, dass du für die Leben, die du gerettet hast, verantwortlich bist«, fuhr Ronan fort. Seine Stimme klang nun so heiter, als amüsiere er sich insgeheim über Sinans Widerwillen. »Du bist nicht schuld daran, dass Berennis hier liegt und dass Hedruf tot ist. Es war Berennis’ eigene Entscheidung, sich für dich einzusetzen. Sie würde sich verbitten, dass du ihr dies absprechen willst. Es mag sein, dass Tarind sich ihren Körper nahm, aber sie war eine Frau, die selbst entschied, was sie tun wollte.«
Am liebsten hätte Sinan ihm den Hals umgedreht, als der Musikant ihn daran erinnerte, dass Berennis beim König gelegen und sich hatte von ihm berühren lassen. Doch das hätte die Menschen draußen noch zorniger auf ihn gemacht. Sie würden sich nicht auch noch den Musikanten von ihm nehmen lassen.
Er schwieg.
»Sie suchen einen Schuldigen«, sprach Ronan weiter. »Und weil sie nun wieder gesehen haben, was Tarind tun kann, wenn er zornig wird, suchen sie sich einen anderen Schuldigen als den König selbst.«
»Lass mich in Ruhe, Ronan«, sagte er grob. »Ich muss mir von dir nichts über Schuld und Moral sagen lassen!«
Ronan neigte leicht spöttisch seinen Kopf und sprang katzenhaft vom lannon herab. »Du solltest nicht auch noch glauben, was sie sagen. Du bist nicht schuld daran, dass Tarind das Feuer hat löschen lassen. Übrigens tat er das, ohne den zu fragen, der es angeordnet hat.«
Sinan furchte die Stirn und wollte Ronan fragen, wie er das gemeint hatte und woher er das wusste. Doch der Musikant war bereits vor die Hütte getreten und stimmte dabei eines der fröhlichen Tanzlieder an, wie sie bei Festen üblich
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