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Dunkelmond

Dunkelmond

Titel: Dunkelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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waren.
    Die Wut der Menschen draußen schien abzuebben, als die Melodie ihre zornigen Schreie zu übertönen begann. Schon bald fiel Githalad in die Melodie ein, und auch andere folgten seinem Beispiel. Nach und nach zerstreute sich die Menge. Vor der Tür der Hütte wurde es ruhig.
    Sinan hörte nur mit halbem Ohr hin. Was ging es ihn an, worüber sich diese Leute aufregten? Sie hatten ihn verachtet, weil er noch grimmiger war, als die meisten von ihnen, und den Elben als Schmied diente. Aus dem gleichen Grund hatten sie auch Berennis beschimpft.
    Und jetzt warfen sie ihm vor, dass sie hier lag?
    Er erneuerte noch einmal das Tuch, das auf der Stirn der jungen Frau lag. Sie hatte sich die ganze Zeit über nicht gerührt. Selbst jetzt konnte Sinan kaum sehen, ob sich ihre Brust hob und senkte. Ihre Seele war wohl schon zu weit fort, als dass der Feuerbohnensud sie noch hätte zurückholen können.
    Im Geiste schritt er die Reihen seiner Mitgefangenen ab. Doch es war keiner darunter, der über die Kräfte eines Seelenherrn verfügte. Niemand, den er hier kannte, war in der Lage, Berennis’ Essenz in der Leere jenseits dieser Welt zu finden oder sie gar zurückzuholen.
    Sinans Mut sank. Er selbst würde Berennis nicht helfen können. Niemand, der im Lager der Menschen lebte, konnte das.
    Ich denke, es fiele Eurem Bruder leicht, die Magie dieses Sklaven zu erkunden, wenn ihm denn der Sinn danach stünde.
    Sinan wusste nicht, warum ihm ausgerechnet dieser Satz, den der Fürst von Loranon gestern in seinem Beisein geäußert hatte, gerade jetzt wieder in den Sinn kam.
    Doch er ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.
    Als die Weiße Sonne sich dem Horizont näherte, schlich Sinan aus der Hütte. Niemand hielt ihn auf. Er ging durch die enge Pforte im Dornenwall, den elbische Pflanzenmagier dichter denn je wieder hatten wachsen lassen. Verächtliche Blicke folgten ihm. Eine der Frauen, mit denen Berennis abends oft Gemüse geschnitten hatte, spuckte aus, als er vorbeikam. Obwohl sie selbst den elbischen Soldaten die Kleider flickte und instand hielt, hatte sie noch gestern geäußert, nur Dirnen würden ihren Körper Elben zur Verfügung stellen, Frauen ohne Gewissen und Moral.
    Doch nun schien ihr zu missfallen, dass er eben diese »Dirne« und den Pferch, in dem die Menschen hausten, wortlos in Richtung Heerlager verließ.
    Sinan warf ihr einen abschätzigen Blick zu, dem sie hastig auswich. Er ging an den Wächtern, die den Zugang zum Pferch bewachten, vorbei. Die Soldaten ließen ihn unbehelligt. Es hatte sich herumgesprochen, dass dieser Schmied in der Gunst des Heermeisters stand und für ihn arbeitete. Da Sinan allein war, ließen ihn auch die Posten am Waldrand passieren, sodass er über die Lichtung zu seiner Werkstatt gehen konnte.
    Sie lag so da, wie er sie verlassen hatte. Nicht einmal Hedrufs Leichnam war fortgebracht worden. Fliegen sammelten sich bereits auf dem blutigen Halsstumpf. Sinan schloss die Augen und schickte ein Gebet an den Dunklen Mond. Dann suchte er eine Schaufel.
    Er hatte bei der gemeinsamen Arbeit festgestellt, dass die Erdkraft in Hedruf etwas stärker ausgeprägt war als die Kraft des Feuers. Deshalb erschien es ihm angemessen, den Körper des Jungen auch im Erdreich beizusetzen. Hinter dem Stein, mit Blick nach Westen, zum Dunklen Mond hin, erschien ihm als angemessener Platz.
    Sinan bat niemanden um Hilfe, und doch war die Arbeit bald getan. Die Weiße Sonne berührte bereits die Baumwipfel, als Sinan die letzte Schaufel mit Erde auf Hedrufs Grab schüttete und festklopfte. Er sprach noch ein Gebet an Akusu und bat ihn, Hedrufs Seele den Feuern des Dunklen Mondes hinzuzufügen.
    Dann ging er, um seine Schmiede aufzuräumen. Er würde nicht mehr ins Lager der Menschen zurückkehren, sondern hierbleiben. Auch wenn es mitten im Lager der Elben war, hatte er hier immerhin die Esse, die ihn nachts wärmen konnte, und er würde nicht ständig das Gefühl haben, sich für das, was passiert war, rechtfertigen zu müssen.
    Kurz spürte er die Sehnsucht nach Berennis. Sie war die Einzige aus dem Lager der Menschen, die er wirklich vermissen würde.
    Und doch, vielleicht vermochte er ihr hier besser zu helfen, als im Lager, wo er nichts anderes tun konnte, als ihr hin und wieder ein neues, mit dem Sud der Feuerfrucht getränktes Tuch auf die Stirn zu legen. Ihre Seele hatte sich wohl endgültig in die Nebel zurückgezogen, und unter den Menschen gab es keinen, der sie von dort hätte zurückholen

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