Dunkelmond
wem sie die Herrschaft über ihre Schöpfung – über Vyranar, die Wunderbare – zugedacht haben. So, wie Akusu ihnen untertan ist, seid ihr uns untertan. Und wenn du hoffst, dass deiner Gefährtin, dieser Feuerhexe,der Tod zuteil wird, dann irrst du«, fuhr er fort. »Noch bevor wir wieder in der Stadt sind, werden wir sie auf unsere Seite gezogen haben, denn das Feuer hat dem Leben zu dienen!«
»Keine Dunkelmagierin mit Ehre im Leib würde sich dafür hergeben!«, stieß Sinan hervor.
»Was wüsste eine Schankdirne schon von Ehre«, erwiderte der Heermeister spöttisch. »Ich besitze die Gabe, auf die Essenz eines jeden Lebewesens einzuwirken. Die Kraft dieser Feuerhexe wird den Elben gehören, das verspreche ich dir.«
Er erhob sich und gab Gomaran ein Zeichen.
Der Hauptmann zerrte Sinan hoch, doch noch ließ er ihn nicht los.
»Die Buße für deine Taten beginnt jetzt«, sagte Telarion Norandar. »Morgen werde ich dafür sorgen, dass zu dem goldenen Band, das du wie alle anderen um den Hals trägst, ein weiteres kommt, bis wir in Bandothi sind, sodass du deine Magie auf unserer Reise nicht mehr ausüben kannst. In der Hauptstadt wirst du unter Aufsicht das Schwert schmieden, das ich dir befohlen habe zu machen. Und wisse, es wird dazu dienen, dich und deinesgleichen zu unterwerfen. Bete zu Ys, dass sie dir die Kraft dazu gibt, denn wenn du dich verweigerst oder scheiterst, wirst du es büßen.« Dann wandte er sich ab, um in die Schatten seines ethandin einzutauchen.
Gomaran zerrte Sinan wortlos aus dem Zelt.
Als der Hauptmann den Schmied vor das ethandin des Heermeisters zerrte und ihn davor mit einem der goldfarbenen Rindenbänder an einen Pflock fesselte, verbarg sich Ronan erschrocken in den Schatten. Er wollte weder von Hauptmann Gomaran noch vom Schmied gesehen werden.
Obwohl die Rote Sonne noch nicht ganz am Horizont verschwunden war, herrschte unter den Mammutbäumen beinahe völlige Dunkelheit. Zu seinem Glück, denn so bemerkten wederSinan noch der Hauptmann, dass der Musikant das Gespräch mit dem Heermeister von Anfang an belauschte.
Ronan blieb noch eine Weile reglos in seiner Deckung sitzen. Im ethandin des Heermeisters herrschte nun wieder Stille, als habe sich der Fürst zur Ruhe begeben. Doch Ronan bezweifelte, dass Telarion Norandar Schlaf fand.
Der Hauptmann hatte es sich, nachdem er Sinan angebunden hatte, mit einer leichten Decke vor dem Zelteingang bequem gemacht. Das eine Ende des goldfarbenen Bands hatte er sich ums Handgelenk gebunden.
Sinan selbst war in sich zusammengesunken. Ronan hörte es nicht, hätte aber dennoch schwören können, dass Schluchzen die Schultern des Gefangenen bewegte.
Kurz überlegte Ronan, ob er Sinan befreien sollte. Doch er tat es nicht. Der Schmied wäre geflohen, und niemand hätte ihn wohl je wieder gesehen. Doch der Musikant war überzeugt, dass Sinan ein anderes Schicksal beschieden war. Er wurde noch gebraucht – in der Nähe des Elbenherrschers. Es steckte mehr in diesem angeblich so einfachen Schmied, als man auf den ersten Blick vermutete. Selbst Telarion Norandar hatte das erkannt, wenngleich er wohl nicht ahnte, wer ihm da tatsächlich in die Hände gefallen war.
Ronan hatte lange über Sinan gegrübelt. Er hatte die komplizierte Zeichnung auf dem Arm des Schmieds gesehen, ein Zeichen, wie es nur ein Mensch bekam, der überreich den Segen des Dunkelmonds empfangen hatte. Er war ihm im Kloster des Westens gegeben worden, auch das war für einen Kundigen aus dem Symbol zu erkennen.
Dieser Schmied wusste mehr von den alten Riten und dunklen Magien des Akusu, als er zugeben wollte. Er hatte im Süden des Felsens seinen Rennofen errichten wollen, zu Ehren des Feuerelements. Sinan beherrschte die alten Sitten und Zeremonien so eindrucksvoll, dass er nach Ronans Überzeugung sein Wissen nur in einem der alten Klöster erworben haben konnte.
Der Musikant hatte gesehen und gehört, wie Sinan die alten Gesänge angestimmt hatte, die Meister Vakaran einst ersonnen hatte, um sich die Kräfte der Erde untertan zu machen. Es gab nur noch wenige, die sie beherrschten, nur wenige Familien, die sich leisten konnten, einen Sohn für viele Jahre in eines der Klöster zu entsenden.
Ronan dachte an Sinans bernsteinfarbene Augen, das weizenblonde Haar und die doch helle Haut des Schmieds, die von unzähligen Sommersprossen übersät war, an seine Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen und seine Mitmenschen als Gleicher unter Gleichen zu behandeln und
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