Dunkelmond
das enden, wenn …«
»Ich gebe dir und der Wache hiermit den Befehl, dass derartige Bitten ab sofort niedergeschrieben und am Ende des Tages entweder dem Vogt oder Gomaran von Malebe vorgelegt werden«, unterbrach ihn Telarion Norandar. »Sie werden dann entscheiden, ob Maßnahmen getroffen werden, nicht mehr der diensthabende Hauptmann der Wache.«
Er wandte sich von Hauptmann Randahar ab und ging auf dieSchmiedewerkstätten zu. Dem Hauptmann blieb nur übrig, sich so respektvoll vor dem Heermeister zu verneigen, wie es ihm möglich war. Doch der Groll war ihm deutlich anzusehen.
Dem Heermeister schien der Ärger seines Untergebenen gleichgültig zu sein. Er wandte sich grußlos von der Wache ab und sah auch dem Jungen nicht hinterher, der, von seiner Schwester und seiner Mutter geführt, nun an den Wachsoldaten vorbei davonging.
Sinan sprang von der Regentonne herab und ging hinüber zu seiner neuen Werkstatt, in der Gomaran gerade ein Feuer in der Esse entfachen wollte.
Sinan kam gerade rechtzeitig, um es zu verhindern. »Halte ein! Es wäre besser, wenn ich das Feuer magisch entzünden könnte«, rief er.
»Wie willst du das schaffen?«, gab Githalad spöttisch zurück.
»Er wird es können, wenn ich ihm das zweite Band, das ich ihm auferlegte, wieder abnehme«, erklang eine scharfe Stimme.
Sinan wandte sich um. Der Duft von verbranntem Harz kitzelte die Nase des Schmieds so stark, dass er beinahe niesen musste. Doch er nahm sich zusammen. Sinan neigte langsam den Kopf vor dem Fürsten, der mit großen Schritten herankam und schließlich vor der Schmiede stehen blieb, ohne sie zu betreten.
»Komm her«, befahl der Fürst.
Sinan zögerte, gehorchte dann aber. »Ich danke Euch für das, was Ihr für diesen Jungen getan habt«, sagte er.
»Ich wünsche keinen Dank für Taten, die ich Ys und meinem Gelübde als Heiler schuldig bin. Schon gar nicht von dir«, erwiderte der Fürst schroff und zog ein wakun aus seiner Schärpe.
Mit geübtem Griff packte er Sinans zweites Sklavenband und durchtrennte es, ohne Sinans sonnengefleckte Haut zu berühren.
»Ich hoffe, die vergangenen beiden Zehntage haben dir bewiesen, dass ich nicht zögern werde, dich zu bestrafen, wenn du mich erneut hintergehst.«
»Das haben sie«, erwiderte Sinan, ohne den Blick zu senken.
Telarion Norandar schwieg ein paar Herzschläge lang. Dann rief er einen der anderen Waffenschmiede zu sich. Der Mann hatte dunkle Haut wie die Menschen aus Entarat.
»Kennst du die Arbeit Meister Vakarans?«, fragte er.
Der Mann starrte ihn verwundert an und vergaß beinahe, sich zu verneigen.
»Nun?«
»Ja … ja, Mendaron Norandar!«
»Berichte, welche Arbeitsschritte für den Meister vonnöten waren, wenn er ein Schwert bester Qualität schmieden wollte.«
Der Waffenschmied warf einen Blick auf Sinan, der gleichgültig mit den Achseln zuckte, und begann anhand von Sinans Werkzeug das Gewünschte zu schildern. Telarion Norandar lauschte ihm aufmerksam.
Sinan betrachtete den Fürsten, hin- und hergerissen zwischen widerwilliger Bewunderung und Abscheu. Dieser Elb gab sich viel Mühe, leutselig und gerecht zu erscheinen, aber die Verachtung, die er für die Kinder Akusus hegte, war förmlich mit den Händen zu greifen.
Sinan wünschte sich glühend, er wäre der Stein, der den Hochmut des Fürsten zu Fall brächte.
Es tat gut, wieder arbeiten zu können.
Kaum war das zweite Sklavenband fort, brachen in Sinan förmlich die Dämme. Er konnte wieder Feuer entzünden, sein Geist war wieder so klar, dass er sich an die magischen Gesänge erinnerte, die überliefert waren und nicht aufgeschrieben werden durften.
Seine Kraft war zurückgekehrt.
Er war so zufrieden, dass er selbst Githalad und Aedan mit mehr Freundlichkeit begegnen konnte. Zumal Githalad sich als Freund zu erweisen begann. Er war ein geschickter Schmied, auch wenn er dieses Handwerk nur in der Familie und nicht aneinem heiligen Ort wie Sinan erlernt hatte und nur wenig Magie in sich trug.
Auch der Waffenschmied, der am ersten Tag dem Fürsten von Norad erklärt hatte, welche Arbeitsschritte notwendig waren, um ein magisches Schwert zu formen, kam immer wieder heran und beobachtete Sinan bei der Arbeit.
Und doch wuchs mit der Kraft, mit der Sinan seine Magie zur Entfaltung brachte, auch sein Zorn und die Ungeduld, seine Schwester wiederzusehen. Er fragte jedoch nie nach ihr, und sosehr er sich wünschte, selbst einmal in die Verliese gehen zu können, der Vogt gab ihm keine
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