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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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muss, und sie in banale Rahmen zwingen, bei ausgeschaltetem Licht, unter der Decke. Zusehen, dass sich der Mensch immer selbst begrenzt. Und stirbt, ohne an der mächtigen, universalen Kraft teilgehabt zu haben, die sich Sexualität nennt.«
    Es entstand eine Pause, klebrig vor Unbehagen.
    »Sie haben zwei Jungen ermordet, Strandberg«, sagte Gunnar Nyberg schließlich. »Und den dritten haben Sie zu einem psychiatrischen Pflegefall gemacht. Der Junge wäre vermutlich lieber gestorben, als Tag für Tag durch die Hölle zu gehen, die Sie geschaffen haben. Ist das die Knabenliebe, von der Sie reden?«
    »Rein theoretisch«, sagte Strandberg, »sind enorme Kräfte vonnöten, wenn der Mensch sich über seine selbst auferlegten Begrenzungen erheben will. Um zu begreifen, wie viel im Leben er versäumt. Die Selbstbegrenzung ist eine äußerst starke Kraft, zu der wir von Geburt an erzogen werden. Manchmal ist sie nie zu brechen.« »Gewalt also? Mord?«
    »Die befreite Sexualität bewegt sich in unmittelbarer Nähe der Gewalt. Sie ist eine Freizone außerhalb der Normalität.«
    »Dann«, sagte Sara mit großer Kraft, »will ich Ihnen von der befreiten Sexualität erzählen. Zurzeit findet ein Prozess in einer kleinen Stadt namens Arlon in Belgien statt. Ein Mann, den man >das Monster von Charleroi< nennt, wird in ein paar Tagen verurteilt werden. Eigentlich heißt er Marc Dutroux. Er hat sein Leben lang kleine Mädchen entführt, vergewaltigt und ermordet. Es ist absolut abscheulich, und allein schon die Vorstellung, was diese eingesperrten, ständig erniedrigten kleinen Mädchen während ihrer letzten Tage durchgemacht haben, übersteigt jede Grenze des menschlich Tolerierbaren. Die Obrigkeit erhebt sich immer über die moralischen Gesetze, die sie selber schafft. Sie sind die Obrigkeit.«
    »Ich bemerke«, sagte Strandberg mit einem spöttischen Lächeln, »dass Sie, Frau Svenhagen, selbst gewisse sexuelle Probleme haben. Ist die Lust ausgeblieben? Nach der Geburt des ersten Kindes?«
    Sara Svenhagen war von allen Menschen, die Gunnar Nyberg kannte, der am wenigsten gewalttätige. Trotz der Extremsituationen, denen sie während ihrer Zeit als Pädophilenermittlerin ausgesetzt gewesen war, hatte er nie erlebt, dass es ihr auch nur in den Sinn gekommen wäre, Gewalt anzuwenden. Aber als sie jetzt aufstand, sah er etwas in ihren Augen, was er noch nie gesehen hatte. Er legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte sie durch das bloße Handauflegen wieder auf den Stuhl. Für einen kurzen Augenblick fühlte er sich desorientiert - er war es nicht gewohnt, als Stimme der Vernunft zu agieren.
    Aber als er den Blick zwischen seinen beiden Kolleginnen hin und her gehen ließ, verstand er, dass genau das jetzt seine Rolle war. Er sagte: »Wir müssen zum Ausgangspunkt zurückkommen, Strandberg. Sind Sie ganz sicher, dass Sie im Hinblick auf die Ankunft einer siebten Klasse in Saltbacken keinerlei Kontakt mit Sten Larsson gehabt haben?« »Ja«, sagte Strandberg kurz.
    Das spöttische Lächeln saß noch in seinem Mundwinkel. Nyberg wusste, dass es um jeden Preis weggezaubert werden musste.
    Mit einem Ass im Ärmel.
    »Nicht einmal per Handy?«, fragte er beiläufig.
    Strandberg war stumm. Das Lächeln verschwand.
    Oder besser, es wechselte über auf Gunnar Nyberg, der fortfuhr: »Wie Sie wissen, haben wir Ihr Handy beschlagnahmt. Das Adressbuch war leer. Das ist ungewöhnlich. Es sieht fast so aus, als hätten Sie es gelöscht. Hingegen werden bekanntlich die zuletzt gewählten Nummern gespeichert. Sie haben ein Gespräch geführt, als Sie im Auto zu Larssons Haus unterwegs waren, um seine Festplatte zu zerstören. Ein Gespräch mit einem anderen Handy. Das war als Einziges noch im Handy, und Sie sind nicht auf die Idee gekommen, es zu löschen. Sind Sie immer so ungeschickt?«
    »Ein großer Polizistentölpel hatte Sie gerade verhört«, sagte Sara Svenhagen gedämpft. »Ihr Haus wurde gerade durchsucht. Die Polizei weiß, dass Sie die Festplatte aus Ihrem Computer entfernt haben. In dieser Stresssituation kommen Sie auf die schlaue Idee, den Polizistentölpel auf einen Umweg zu schicken, um früher als er bei Larssons Haus zu sein und auch dessen Festplatte zu entfernen. Sie rasen mit einem Höllentempo nach Vallsäter, und während der Fahrt telefonieren Sie. Mit wem? Ja, natürlich mit Sten Larsson. Aber Sie bekommen keine Antwort - Gesprächsdauer null, sagt das Handy. Warum rufen Sie Larsson an? Um ihn zu warnen

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