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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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Lebensgeschichten sich ähnelten.
    Jessa hatte eine Website namens » T he A dopted K ids of Y esterday N etwork« gegründet, ein »Netzwerk der Adoptivkinder aus der Vergangenheit« also. Später hatte Aphrodite der Selbsthilfegruppe das Website-Kürzel als Namen verpasst.
    Wir wurden unseren leiblichen Eltern und deren Familien genommen. Bruchstückhaft erinnern wir alle uns in unseren Albträumen an das, was dann kam. An die Ärzte. Die Behandlung. Die Schmerzen. An die verdammten Tätowierungen. Was sie uns auch antaten: Sie raubten uns jede Möglichkeit, ein normales Leben zu führen. Warum sollen wir uns nicht als das bezeichnen, was wir sind?
    Jessa wusste, dass ihre Freundin jedes Recht hatte, verbittert zu sein. Aphrodite besaß grässliche Erinnerungen an das, was ihr angetan worden war, und als eine beinahe tödlich verlaufene Krankheit ihre Begabung zum Vorschein brachte, war sie gezwungen gewesen, ihr Zuhause zu verlassen und im Verborgenen zu leben. Praktisch das Gleiche war Jessa widerfahren, als der Tod sie gestreift und eine angenehme, nützliche Fähigkeit in etwas Dunkleres, Unbeherrschbares und letztlich Unentrinnbares verwandelt hatte. Dennoch wollte Jessa – anders als Di – nicht glauben, in der Kindheit als Versuchskaninchen missbraucht und danach einfach ausgesetzt worden zu sein.
    Es musste weitere Gründe dafür geben, warum sie so waren und man überhaupt Experimente an ihnen durchgeführt hatte. Falls Vulkan richtig lag und wirklich wieder jemanden wie sie gefunden hatte, vielleicht wusste das neue Mitglied der Gruppe ja mehr als sie. Jede Kindheitserinnerung, jede Fähigkeit und sogar ihre Privattheorien erhellten weitere Flecken der dunklen Vergangenheit.
    Sie hätte bis in den Abend vor dem Brunnen gesessen, doch die Rasensprenger erwachten zum Leben, und der Wind trieb ihr das Wasser als feinen Dunst entgegen. Sie stand auf und trat ans Becken, grub einen Cent aus der Tasche und warf ihn hinein. Er landete inmitten Hunderter weiterer Münzen am Boden des Beckens. Ein Cent für ihre Gedanken – so hielt sie es jedes Mal, wenn sie in den Price Park kam.
    Ihr letzter Gedanke vor dem Weggehen war gewöhnlich:
Ich vermisse dich. Ich liebe dich
. Doch heute Abend war sie bereit, etwas anderes zu sagen.
    »Es ist Zeit.« Jessa besah sich die herrliche Oase, die sie geschaffen hatte. »Leb wohl, Allen.«
    Sie ging durch die Anlage zu dem kleinen Parkplatz, auf dem sie ihren Wagen abgestellt hatte. Als der süße Duft der Blumen nachließ, stieg ihr ein anderer, nahezu vertrauter Geruch in die Nase. Sie war sich gewiss, dieses Aroma schon ein paar Stunden zuvor im Stadtzentrum gerochen zu haben. Und erneut ärgerte sie sich darüber, es nicht identifizieren zu können; sie vermochte eigentlich nur zu sagen, dass es sie an Wärme, ja, Hitze gemahnte. Am Mittag hatte sie diese Empfindung noch als einen Streich abtun können, den ihr die letzte Sommerhitze spielte, aber jetzt …
    Jessa sah zum dunkelnden Horizont und spürte die Kühle der Dämmerung. Die Temperatur war im Laufe der letzten Stunde vermutlich um acht Grad gefallen.
    Jemand war hier. Jemand, der sie gehört hatte.
    Sie fuhr herum und musterte den Park. Er wirkte so leer wie bei ihrer Ankunft, fühlte sich aber anders an. Winzige Nerven unter ihrer Haut kribbelten und sandten den übrigen Sinnen verwirrende Signale. Sie konnte niemanden sehen oder hören, und doch war da wer. Jemand, der sich knapp außerhalb ihres Gesichtskreises befand.
    Und sie beobachtet hatte.
    Zum Auto zu rennen und wegzufahren, wäre das Sicherste gewesen, doch dies war ihr Ort, ihre persönliche Zuflucht. Wer immer sie belauschte, hatte einen sehr privaten Moment entweiht.
    Sie zog den verbotenen Elektroschocker heraus, den sie immer in der Handtasche trug, und die Wut trieb sie zum Springbrunnen und um jeden Stamm. Sie entdeckte niemanden, doch wenn sie eine Spur des Geruchs witterte, blieb sie stets stehen und inspizierte die Umgebung. Die Rasensprenger hatten den Boden nass und weich gemacht, doch sie fand keine Fußspuren oder andere Zeichen dafür, dass jemand ihr gefolgt war und sie observiert hatte.
    Sollte ihr jemand nachgeschlichen sein, hatte er sich aus dem Staub gemacht, bevor sie den Geruch gewittert hatte.
    Langsam steckte sie die Waffe wieder in die Tasche, musterte den Park erneut und ging zum Wagen zurück. Sie war nicht so dumm, zu ihm zu treten oder ihn zu entriegeln, ehe sie nicht unter das Auto geschaut und sich durch die Fenster

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