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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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Militärstatthalter an seinen Großvater, den Kaiser Augustus, geschickt worden sein könnte.
    Mit Tinte auf Pergament geschrieben und in nicht bloß einem, sondern drei mit Harz lackierten Etuis verwahrt, bietet diese Rolle eine ergreifende Beschreibung des feierlichen Besuchs von Germanicus im niedersächsischen Kalkriese, wo fünf Jahre zuvor Tausende römische Soldaten von einem aufständischen Germanenhäuptling und seiner Armee aus Cheruskerkriegern aus dem Hinterhalt angegriffen und restlos aufgerieben wurden. Da die Botschaft auf das Jahr 14 n.Chr. datiert ist, könnte sie – falls sie sich als echt erweist – als Beweis dafür dienen, dass der römische General das Schlachtfeld ein ganzes Jahr früher besucht hat, als die Historiker das bisher angenommen haben.
    Die Rolle besteht aus einhundertzwei Zeilen in zwei Spalten. Der in Ich-Form vom General wohl eigenhändig verfasste Text enthält Hinweise auf verschiedene Persönlichkeiten der damaligen Zeit, darunter auf einen beliebten Senator, der zudem Günstling der Kaisergattin war.
    Nur Wochen vor dem Tod des Augustus geschrieben, bietet dieser Text faszinierende Einblicke in die Gedankenwelt des großen römischen Generals, als er die Überreste seiner gefallenen Kameraden vom Schlachtfeld birgt. Aufregender noch sind aber Andeutungen, die das rätselhafte Schicksal von Tanicus betreffen, einem Kindheitsfreund des Germanicus, den die Historiker stets zu den Gefallenen von Kalkriese gezählt haben.
    Römische Altertümer
hat für seine Leser durch Professor Angelo Calabrese von der Universität Rom eine vollständige Übersetzung des Textes anfertigen lassen:
    Nero Claudius Germanicus, entbietet dem innig geliebten, ruhmreichen Cäsar Augustus, dem göttlichen Sohn des Julius und Schützer der Republik, viele herzliche Grüße und betet stets für seine Gesundheit.
    Ihr schreibt mir, Großvater, von Eurem Missvergnügen darüber, dass ich so wenig von meinen Reisen und Taten mitteile. Da Ihr es mir abverlangt, berichte ich nun, was ich lieber bis zu meiner Rückkehr nach Rom für mich behalten und Euch lieber mündlich mitgeteilt hätte.
    Eurem Befehl gemäß, führte ich die Legionen nordwärts, und nach drei Tagen erreichten wir Kalkriese. Dorthin zog ich, damit die Männer dieses Schlachtfeld sehen, damit sie begreifen, was es bedeutet, römischer Soldat zu sein, und um in Eurem Namen für die Gefallenen zu beten und ihnen die letzte Ehre zu erweisen. Meine zweite Aufgabe war es, nach Überresten des Varus zu suchen, worum seine Frau und seine Töchter mich bei meinem letzten Besuch in ihrem Haus gebeten hatten.
    Wir folgten dem Pfad durch den Wald zwischen dem großen Sumpf und dem hohen Hügel. Am Fuß des Hügels waren noch Reste des Walls zu sehen, und mir vorzustellen, wie Arminius und seine Schar dahinter die erste Kolonne erwartet hatten, ließ mich innerlich frösteln. Hundert Schritte weiter kann man noch immer da und dort zerbrochene Speere auflesen, die in vergeblicher Abwehr geworfen wurden.
    Zwei Tage lang ritten wir weiter und erreichten den Ort, an dem die verbliebenen drei Legionen Zuflucht gesucht hatten, um ein letztes Mal auf verlorenem Posten gegen die anstürmenden Gegner zu kämpfen. Unterwegs entdeckten wir Hinweise darauf, wie sie sich trotz aller Angriffe durch das Gelände geschlagen hatten. Die Leichen der Soldaten, die weiter außen gekämpft hatten, wiesen uns den Weg, und mein Pferd konnte keine hundert Schritte gehen, ohne dass ich auf die kläglichen Überreste eines unserer niedergemetzelten Soldaten stieß.
    Ihr könnt nicht wissen, wie es ist, an einen Ort zu kommen, an dem vierzehntausend Tote verrotten: Es übersteigt Eure düstersten Vorstellungen. Überall liegen verwitterte Knochen herum – eher vereinzelt, wo Männer zunächst fliehen konnten und von den Verfolgern da und dort niedergemacht wurden, gehäuft hingegen an Stellen, wo sie sich in enger Formation gewehrt haben.
    Als wir in die Wälder kamen, sahen wir Schädel an jeden Baum am Weg genagelt, tausend und mehr, und ihre Augenhöhlen starrten uns in stummem Vorwurf an. Andere, die vor mir dorthin gekommen waren, behaupten, Arminius habe die Schädel zur Mahnung anbringen lassen, damit Rom nie mehr versucht, Germanien zu erobern. Das erscheint mir nutzlos; ich spüre nur Wut darüber, dass Römer für so etwas missbraucht wurden und keiner auf die Idee kam, die Schädel abzunehmen und sie den Flammen zu übergeben.
    Mein Adjutant setzte mir mit der Frage

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