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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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zu, wie wir herausfinden sollten, welcher Schädel der des Varus ist. Dann kehrte unser Kundschafter zurück und rief, wir sollten ihm tiefer in den Wald folgen. Also ritten wir weiter, und jetzt muss ich Euch sagen: Die Jahre, die ich an den Grenzen Dienst tat, haben meine Augen an derart barbarische Anblicke gewöhnt, dass ich eigentlich mit keiner Wimper hätte zucken sollen. Aber wer von uns hätte damit rechnen können, dass die Altäre, auf denen die Gefangenen geopfert worden waren, noch standen?
    Die Stammeskrieger hatten diese Altäre aus den Rüstungen der Gefallenen errichtet, sich aber nicht die Mühe gemacht, die Leichen vorher zu entfernen; sie hatten sie aufeinandergestapelt, wie es gerade kam, und andere Tote zu Plattformen zusammengebunden. Das Fleisch dieser armen Kameraden ist längst verwest, doch ihre Knochen künden noch davon. Auf diese obszönen Haufen aus Rüstungen und Knochen hatten Arminius und seine Schufte die besten Soldaten der Republik gelegt, sie auf vielfältigste und schrecklichste Weise abgeschlachtet und sofort weitere Soldaten auf die Toten gepackt, denen das Gleiche widerfuhr, bis niemand mehr auf den Haufen passte und ein neuer Altar errichtet wurde.
    Ich kam erst zur Ruhe, Großvater, als wir in einer gut versteckten Höhle die Leichen des Varus und seines Gefolges fanden. Die Berichte der wenigen, die dem Gemetzel in Germanien entfliehen konnten, sind wahr: Am Ende sind die Söhne Roms als Brüder zusammengekommen, geeint in der Entschlossenheit, so zu sterben, wie sie gelebt hatten – mutig und ehrenvoll. Ihre Knochen umklammern noch das Heft des Schwerts, dessen Klinge sie sich in den Leib rammten. Ich bin froh, dass sie nicht den Cheruskern in die Hände gefallen sind, sondern Schneid und Rückgrat genug besessen haben, das zu tun, wovor jeder Mensch sich fürchtet.
    Beschämt weinte ich und ließ meine Männer die Skelette unserer tapferen Kameraden sammeln. Heute Abend verbrennen wir sie auf einem Scheiterhaufen, und ich habe geschworen, nach diesem Feldzug zurückzukehren, um die Knochen all unserer Gefallenen zu bergen, damit die Toten zur Ruhe kommen. Fürs Erste segnen meine Priester den Boden und flehen die Götter an, unsere edlen Gefallenen reich zu belohnen. Es quält mich, nicht lange genug bleiben zu können, um mich ihnen allen angemessen zu widmen.
    Daneben bedauere ich nur, keinen Beweis für die Behauptung des Septus Janus Genarius gefunden zu haben, dass mein Freund und Schwertbruder Tanicus den Varus begleitet hat oder hier mit ihm gestorben ist. Möglicherweise wurde er gefangen genommen und mit tausend weiteren Soldaten in die Sklaverei verkauft, doch mein Herz besteht darauf, dass er sich – wie Varus – eher in sein Schwert gestürzt hätte, als ins Joch der Sklaverei zu gehen. Ich habe die Geschichte nie geglaubt, er sei heimlich in Germanien geblieben, um die Barbaren auszuspionieren – doch nicht fünf lange Jahre lang, ohne uns oder seiner Familie nur eine Nachricht zukommen zu lassen! Ich werde Rat halten, sobald ich von der Grenze zurück bin; vielleicht kann ich den Senator dann dazu bringen, sich näher zu dieser Sache zu äußern. Er hat immer behauptet, den Barbaren entkommen zu sein, als sie Varus und seine Offiziere töteten. Nun, da bewiesen ist, dass diese Männer ihrem Leben selbst ein ehrenvolles Ende setzten, muss der Senator erklären, warum er das nicht auch getan hat.
    Wollen wir die Erinnerung an das, was hier geschah, tilgen, dann müssen wir über die Grenzen des großen Flusses vorstoßen. Diese Aufständischen müssen gezeigt bekommen, was Rom ist. Ich beschwöre Euch im Namen von Mars und Varus, dies den Senatoren durch eine Rede klarzumachen, vor allem dem Genarius, der Euch andauernd drängt, unsere Legionen nicht weiter nach Norden marschieren zu lassen, damit Rom die Stämme nicht verärgert.
    Wir dürfen nicht hinnehmen, dass dieses Massaker ungestraft bleibt, Großvater – sonst wird Rom fallen.
    [Siegel des] Germanicus
    Dr. Calabrese vermutet stark, dass die Schriftrolle den Kaiser nie erreicht hat, weil ihre Originalsiegel bei der Entdeckung noch intakt waren. Gegenwärtig versucht er, die Baustelle auf alten Stadtplänen zu orten, um die früheren Eigentümer des Geländes zu ermitteln und herauszubekommen, wer die Rolle vergraben hat.
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