Dunkle Beruehrung
zusammenwuchsen. In seiner Brust loderte es, und er lachte ergeben auf, als er begriff, dass sogar seine geschädigte Leber sich regenerierte.
Schließlich erlosch das Lodern und die Sinne schärften sich und ließen ihn die Welt in ungeahnt winzigen Details wahrnehmen. Die Zugluft, die durch die Deckenlüftung strich, das schwache Surren der Zentrifuge im Nebenraum, das Blut, das noch immer aus Carls Wunden tropfte: Sein Gehör war so empfindlich geworden, dass er vermutlich wahrnehmen würde, wenn einen Kilometer weiter eine Stecknadel zu Boden fiele.
Langsam erhob sich Lawson aus dem Rollstuhl. Weil der blutige Verband über den frisch geheilten Muskeln spannte, riss er die Bandage herunter und strich sich über den makellosen Schenkel.
»Besser als neu«, murmelte er und riss auch den Verband am Handgelenk ab. Das Transerum hatte alle Verletzungen getilgt; nicht die kleinste Narbe war zu sehen. Kaum machte er einen Schritt, flutete nervöse, unbegrenzte Kraft durch seine Glieder, als hätten sich alle seine Muskeln in unter Spannung stehende Spiralfedern verwandelt. Aus Spaß sprang er über Carls Leiche und landete im Nachbarzimmer.
Lawson holte den anderen Gegenstand, den er benötigte, und widmete sich dann seinem Erscheinungsbild. Er konnte das Labor nicht in dem dummen, am Rücken offenen Flügelhemd verlassen, aber zum Glück hatte Carl etwa seine Größe. Als dessen Hemdsärmel beim Entkleiden riss, kicherte Lawson.
Nun, wo er ein Gott war, musste er vorsichtig sein, um nicht die Welt zu zerreißen.
Er kleidete sich an, und obwohl er nicht erwartete, dass ihn jemand am Verlassen des Gebäudes hindern würde, schlüpfte er in einen Laborkittel, um die blutigen Löcher in Carls Hemd zu verbergen. Jeder, der ihn sah – auch Delaporte –, würde wissen, dass er sich in ein neues Wesen verwandelt hatte. Sie würden sich nicht mit dem Gott anlegen, zu dem er geworden war.
Lawson ging den Flur entlang, nahm aber nicht den Lift, sondern die Treppe. Nach der ersten Stiege war er nicht länger vorsichtig, sondern sprang von Absatz zu Absatz. Sein Körper jubelte vor Kraft und schmerzte vor Lebendigkeit; als er das Erdgeschoss erreichte, lachte er erneut.
So gern er auch zu seinem nächsten Ziel gerannt wäre: Das würde zu lange dauern. Also begab er sich dorthin, wo er seinen Lexus geparkt hatte.
Verblüffenderweise war sein Stellplatz leer, obwohl er sein Auto nie verlieh. Der Alte musste dafür gesorgt haben, es an einen besseren Ort zu bringen. Weil Dr. Kirchner seine Schlüssel einmal mehr in seinem Geländewagen eingeschlossen hatte – der Arzt war unfassbar zerstreut –, schlug Lawson das Fenster auf der Fahrerseite ein, öffnete die Tür, strich die Scherben vom Sitz und fuhr zum Haupttor.
Der bullige Wächter Ted Evans, der lange in einer Spezialeinheit der US -Marine gedient hatte, senkte die Schranke und trat aus seiner Baracke. »Mr Lawson – Mr Delaporte hat gerade angerufen. Sie sollen bitte aussteigen und hier warten.«
Lawson runzelte die Stirn. Ted Evans hatte in der Turnhalle der Firma ein paarmal mit ihm Squash gespielt und schien ein netter Kerl zu sein. Wirklich schade, dass er nicht begriff, was Lawson widerfahren war.
»Ted, Sie müssen Don eine Nachricht von mir zukommen lassen.« Er stieg aus, packte den Wächter an der Kehle, schleuderte ihn gegen die Barackenwand, hielt ihn fest, ehe er zu Boden rutschen konnte, drückte ihm die Glock gegen den Bauch und feuerte das Magazin leer. Beim Niedersinken hinterließ der Getroffene eine breite Blutbahn auf dem Ziegelimitat.
Lawson packte Ted energisch am Schopf, um sich mit einem Blick in die Augen zu vergewissern, dass er tot war, hörte aber ein rasches, nasses Reißen, richtete sich auf und hielt nur das bluttropfende Haupt des Wächters in der Hand. »’Tschuldigung«, murmelte er, warf den Kopf in den Schoß des Toten und setzte grinsend hinzu: »Ich schätze, mir ist noch nicht klar, wie stark ich inzwischen bin.«
Er zog dem Wächter die .32er aus dem Halfter, warf die leere Glock zu Boden, stieg wieder in Dr. Kirchners Wagen, durchbrach die Holzschranke und bog auf die Hauptstraße.
Er würde bei Jessa Bellamys Wohnung beginnen, beschloss er und genoss den kühlen Wind, der durch das ausgeschlagene Fenster hereinwehte. Vermutlich hatte sie inzwischen einen Nachbarn angerufen; Frauen machten sich immer Sorgen um lächerliche Dinge, um die Pflanzen etwa oder um die Post. Er würde mit allen sprechen, bis er
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