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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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Gast, kümmerte sich klaglos um ihre Bedürfnisse und darum, dass es ihr gut ging, und redete höflich mit ihr. Doch er beobachtete sie genau und schien immer hinter der nächsten Ecke zu warten, wenn sie durch die Tunnel streifte.
    Rowans Haltung gegenüber Jessa verlor allmählich an Feindseligkeit, doch sie blieb überwiegend distanziert oder sarkastisch, je nach Laune. Jessa lernte rasch, das Mädchen zu meiden, wenn es in der Kommunikationszentrale oder in der Küche arbeitete, denn vor allem dann neigte Rowan zu Wutausbrüchen. Und sie hielt sich mit Fragen an die junge Haushälterin zurück und achtete darauf, nichts Privates mit ihr zu bereden. Inzwischen lehnte sie es auch ab, sich von ihr bedienen zu lassen, und hatte zunächst damit gerechnet, es würde deswegen Streit geben. Doch als sie Rowan sagte, sie wolle das Frühstück nicht mehr aufs Zimmer bekommen, holte das Mädchen lediglich einen alten, batteriebetriebenen Radiowecker und erklärte, sie solle um sechs Uhr früh in der Küche sein oder sich ihr Frühstück selbst zubereiten. Jessa schaltete sofort das Radio an – ein lokaler Sender würde ihr verraten, wo sie sich befand –, doch aus dem kleinen Lautsprecher drang nur gleichförmiges Rauschen.
    Matthias schnitt das Thema Vampire nicht wieder an, und das war eine Erleichterung, weil Jessa nicht wusste, wie sie auf seine wilden Mutmaßungen reagieren sollte, ohne ihn noch mehr zu verletzen. Stattdessen erlaubte er ihr, seinen PC zu nutzen, wann immer sie darum bat, brachte ihr einen Stapel Romane (die alle mindestens ein halbes Jahr alt waren, wie ihr auffiel) und ließ sie ansonsten in Ruhe. Als sie fragte, ob sie ihm die Bücher zurückgeben solle, sagte er, sie gehörten Rowan. Später sah sie ihn ein Buch aus der Kinderbibliothek lesen und bemerkte die schwachen Bewegungen seiner Lippen, als er lautlos ein paar Worte mitsprach.
    Warum sammelte und las ein Erwachsener – selbst wenn sein Englisch nicht vollkommen perfekt war – Kinderbücher, da er doch eine der edelsten Privatbibliotheken besaß, die sie je gesehen hatte?
    Obwohl er von ihrer Begabung wusste, wich Matthias – anders als Rowan – dem Körperkontakt mit Jessa nicht aus. Jeden Tag schien er einen Vorwand zu finden, sie beiläufig zu berühren, ob er ihr nun einen Teller reichte oder ihren Arm nahm, um sie bei einem Gang durch die Tunnel in eine andere Richtung zu führen. Anfangs war Jessa stets erstarrt und hatte erwartet, ins
Zwielicht
zurückzukehren, doch egal, wie lange die Berührung dauerte: Sie riss sie nicht in die Abgründe seiner Seele. Vielmehr drang etwas anderes in sie ein – eine ungewohnte und um sich greifende Mischung aus Wärme und Behagen, die über ihre Haut tanzte und all ihre Sinne hellwach werden ließ.
    Jessa hatte Erfahrung genug, um zu wissen, was geschah. Jeden Tag fühlte sie sich stärker zu Matthias hingezogen, und ihr Körper reagierte zunehmend auf einer rein weiblichen Ebene auf ihn. Dass er sie berühren konnte, ohne sie ins
Zwielicht
zu stürzen, beseitigte den hauptsächlichen Grund, warum sie – seit die Begabung über sie gekommen war – keusch gelebt hatte. Und die Bedürfnisse, die so lange in ihr geschlummert hatten, waren nun geweckt und verlangten nach mehr.
    Jede Berührung, so kurz und beiläufig sie auch ausfiel, war stets eine Qual für sie gewesen. Jetzt hatte Matthias das verändert und jeden Körperkontakt in eine Art heimlichen Liebeszauber verwandelt.
    Sie verstand nicht, warum sie sich so stark zu einem Mann hingezogen fühlte, über den sie so wenig wusste. Seinen Akzent und seine seltsam förmliche Ausdrucksweise konnte sie noch immer nicht zuordnen. Er redete nicht wie jemand, der Probleme mit der sprachlichen Bedeutung oder der Grammatik des Englischen hatte, sondern so, als käme er aus einer vollkommen anderen Welt. Auch seine Gewohnheiten – er aß zum Beispiel mit den Fingern, rollte Papier, statt es zu falten, und beobachtete Rowan mitunter hoch konzentriert dabei, wie sie die Küchenmaschine oder den Dosenöffner verwendete – ließen ihn als jemanden erscheinen, der nicht vertraut mit der realen Welt war. Und warum las er als Erwachsener Kinderbücher, und zwar voller Freude?
    Zudem war da sein Verhältnis zu Rowan, die sicher mehr war als nur seine Haushälterin. Jessa hatte erst vermutet, das Mädchen sei seine Geliebte, doch Matthias brachte ihr lediglich väterliche Zuneigung entgegen. Nie hatte Jessa die beiden bei Zärtlichkeiten überrascht, und

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