Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)

Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)

Titel: Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.L. Jannings
Vom Netzwerk:
dass er unter Umständen sein Idol im Adlon verpassen würde. Er fand die Amerikanerin nett. Sie sollte ihr Vergnügen haben. Das Taxi fuhr den Kurfürstendamm entlang und hielt vor der Drehtür des Cafés. Robert wurde vom Türsteher per Handschlag begrüßt:
    „Juten Abend Herr von Wolf. Lange nich jesehn. Wat macht die hohe Politik? Schwimmer oder Nichtschwimmer heute?” Hierbei streifte sein kennerhafter Blick Jayata.
    „Guten Abend Herr Nietz, keins von beiden, wenn’s recht ist. Die junge Dame hier ist aus Amerika und zum ersten Mal hier. Ich denke, wir haben von der Galerie einen besseren Überblick. Wenn Sie da noch einen Tisch für uns haben.”
    „Na klar doch, der Ruhm von unserm Etablissemang soll ja ooch die neue Welt erreichen, wa? Viel Verjnügen junges Frollei n und empfehl’n Se uns weiter.” Mit diesen Worten strich er sein Trinkgeld ein und gab der Drehtür einen geübten Schwung, der die beiden in den Brennpunkt der Berliner Künstlerszene beförderte. Diese bewegte sich, ähnlich wie der europäische Rest ihrer Art, in einer Umgebung, die an Scheußlichkeit schwer zu überbieten war.
    Mit einem Szenelokal verhält es sich ähnlich wie bei künstlerisch anerkannten Zelebritäten des männlichen Geschlechts. Haben Kritiker, Galeristen, Verleger oder Regisseure erst einmal beschlossen, dass ein Mann als ein wahrer Literat, Schauspieler, Bildhauer oder Maler zu gelten hat, ist jeder gesellschaftliche Zwang aufgehoben. Ja, eine Unterwerfung der so geadelten Person unter diesen wäre für ihren weiteren Karriereweg kontraproduktiv . Es wird geradezu erwartet, dass sich die Auserwählten dem bürgerlichen Betrachter bereits auf den ersten Blick von ihrer eigenen Mittelmäßigkeit unterscheidet. Eine ausgeprägte Lässigkeit allein reicht da nicht aus, die muss schon mit einem ordentlichen Schuss Schäbigkeit oder gockelhafter Opulenz unterfüttert sein. Das gilt für die Kleider, wie auch für das Benehmen. Frauen sind von diesen Freiheiten selbstverständlich ausgenommen. Auch der abgerissenste Szeneliterat achtet auf einen gewissen äußeren Glanz bei der Auswahl seiner weiblichen Begleitung. Das Künstlerlokal hingegen kann nur als solches anerkannt werden, wenn es mit Hilfe eines sorgfältig durchdachten Konzepts oder auch durch bloße Schlampigkeit in Ausstattung, Angebot und Bedienung den Erscheinungsformen seiner männlichen Kundschaft entspricht. Dem Romanischen Café war dieser Glücksgriff gelungen, und das war das Geheimnis seines Erfolgs.
    Sein überdimensionales Servicebuffet war von wilhelminischer Scheußlichkeit. Die grelle Beleuchtung an den hohen, vergilbten Decken kam entweder direkt aus einem Münchner Bierzelt oder aus der Konkursmasse einer Wagenradfabrik. Die Holztische verzichteten standesbewusst auf jegliche Veredelung durch bürgerliches Leinen, und die unbequemen Stühle wackelten ächzend unter den unruhigen Hintern ihrer avantgardistischen Besatzer. Schwaden von billigem Zigarettenrauch mischten sich mit dicken Wolken aus teuren Havannas zu einem wabernden Nebel, der wegen fehlender Ventilation träge zur Decke und an den hohen Bogenfenstern hochkroch. Vermischt mit den Gerüchen von Parfum und Pomade, Kaffee und abgestandenem Bier, feuchten Kleidern, schlechtem Essen und altem Küchenfett, bildete er eine erstickende Mischung, an die sich die Lungen und Augen der Neuankömmlinge nur durch einen starken Willensakt gewöhnen konnten. Der Geräuschpegel entsprach dem eines Bierzelts, allerdings ohne die rhythmische Ablenkung durch eine Blaskapelle. Statt dessen schallten aus der Kakophonie von welterrettenden Diskussionen, literarischen Streitigkeiten, umstürzlerischen Reden, perfiden Verleumdungen, gemeinen Tratschereien und den kreischenden Heiterkeitsausbrüchen grell geschminkter Damen die kryptischen Schreie der Kellner in R ichtung wilhelminisches Buffet.
    Überhaupt die Kellner, sie hatten im Mikrokosmos des Romanischen Cafés bereits einen sozialen Status erreicht, auf den der Rest der Arbeiterklasse noch Jahrzehnte warten sollte. Angeführt vom Großinquisitor Nietz, der an der Drehtür bereits entschied, wer an dem avantgardistischen Chaos teilnehmen durfte, war die Gunst der Kellner ausschlaggebend, ob Aspiranten in den Kreis der etablierten Gäste aufgenommen wurden. Unfreundlich und nachlässig waren diese Kellner, ohnmächtige Bittsteller ihre Gäste. Ohne Gewerkschaft, Klassenkampf und Revolution hatte hier bereits die Herrschaft des Proletariats einen

Weitere Kostenlose Bücher