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Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)

Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)

Titel: Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.L. Jannings
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triumphalen Sieg über das Establishment errungen. Nur große oder zumindest regelmäßige Trinkgelder bewirkten, dass der Name des Bittstellers Aufnahme in das Gedächtnis der h errschenden Kellnerklasse fand.
    Jayata ahnte nichts von dieser gesellschaftlichen Herausforderung, als sie mit Robert die Treppe hinauf zur Galerie stieg. Aber auch bei ihr verfehlte die anarchische Atmosphäre des Romanischen Cafés nich t die gewünschte Wirkung. Sie tauchte begierig ein in das Gebräu der gelebten Konventionsverachtung.
    Ein weiteres Trinkgeld sicherte ihnen einen kleinen Tisch direkt an der Balustrade. Erst jetzt konnte sie von oben sehen, dass das Lokal in zwei Räume aufgeteilt war, deren Publikum sich eindeutig unterschied. Robert erklärte ihr, dass im „Schwimmbassin”, links vom Eingang, die wahrhaft etablierte Kundschaft saß. Entweder über alle Maßen berühmt oder über alle Maßen berüchtigt. Mit Brieftaschen, deren Inhalt auch den hartgesottensten Kellner in einen milden, menschenfreundlichen Gemütszustand versetzen konnte. Heute Abend hatte sich dort ein besonders illustrer Kreis um eine schokoladenfarbene Tänzerin in einer türkisen orientalischen Robe samt Turban versammelt, die gerade die komplette Hauptstadt mit ihren Auftritten in einem Bananenröckchen in Hysterie versetzte. Auch solche, die sie noch gar nicht gesehen hatten und solche, die sich eine Eintrittskarte ins Nelson Theater zur „La Revue Nègre”, wo sie auftrat, nie im Leben würden leisten können. Egal, jeder sprach über sie, vom Kartoffelhändler im Scheunenviertel bis zum Siemens Vorstand. Jayata und Robert hatten den ganz großen Auftrieb erwischt. Robert zündete sich eine Zigarette an und hob die Hände:
    „Der Berliner Amüsierbetrieb ist unersättlich. Er zieht seine Akteure mit rasender Geschwindigkeit in sein gefräßiges Maul. Genauso schnell spuckt er die meisten dann auch wieder aus. Viele sind zerstört für immer, nur wenige überleben oder schaffen es auf Dauer bis ganz oben. Aber da erzähle ich einer Amerikanerin sicher nichts Neues, oder?”
    Jayata liebte schon jetzt seine launigen, immer mit einem leichten Zynismus gewürzten Beschreibungen und musste sich zusammennehmen, um nicht wie eine Landgans mit verklärtem Blick an seinen Lippen zu hängen. Mit kühlem Understatement sagte sie:
    „Ja, so sagt man jedenfalls. Aber ich kenne auch zu Hause in Amerika solche Leute nicht. Wir leben an der Ostküste, in Boston, und das ist nicht New York. Verglichen dazu, auch verglichen zu Berlin, ist es fast schon eine Provinzstadt.”
    „Also ich für meinen Teil ziehe eine Provinzstadt mit Harvard Universität jederzeit allen Metropolen dieser Welt vor, das können Sie mir glauben.”
    Der Kellner stellte zwei ausladende Kelche mit Weißbier auf die verschmierte Tischplatte. Robert bestellte von der dürftigen Speisekarte zweimal russische Eier, denn Jayata war bei der Auswahl des un bekannten Angebots überfordert.
    „Die russischen Eier sind eigentlich das einzige, was hier einigermaßen genießbar ist. Das heißt, wenn die Mayonnaise nicht ranzig ist. Aber sagen Sie, was führt Sie eigentlich nach Berlin? Warum sind Sie hier?” Er stützte die Ellbogen auf den Tisch, legte den Kopf in die Hände und sah sie neugierig an.
    Jayata schoss bei diesem sehr direkten, sehr blauen Blick wieder das Blut in den Kopf, und in ihren Ohren fing es in einer Lautstärke zu rauschen an, die den Krach im Romanischen Café zum Hintergrundgeräusch verkommen ließ. Aber auf diese Frage hatte sie sich wenigstens vorbereitet.
    „Mein Vater arbeitet ja, wie Sie wissen, für die amerikanische Botschaft. Ich habe ihn für ein Jahr hierher begleitet, um mein Deutsch zu verbessern. Ich hatte schon in Amerika Deutschunterricht. Dad und ich leisten einander Gesellschaft, seit meine Mutter gestorben ist.” Die letzten zwei Drittel wenigstens entsprachen der Wahrheit.
    Sein Blick war dunkler, als er versonnen seinem Zeigefinger zusah, der in einer kleinen Bierpfütze herummalte.
    „Ja, die, die zurückbleiben, müssen einander Gesellschaft leisten. Ich weiß das sehr gut. Seit mein Vater gestorben ist, versuche ich meiner Mutter auch das Leben so angenehm zu machen, wie es eben geht.” Für einen Augenblick schien es, als ob er in eine eigene, verschlossene Welt zurücksinken würde. Aber dann riss er sich zusammen, hob den Kopf und besann sich auf seine Verpflichtung als Fremdenführer. „Aber ich habe Ihnen ja noch gar nicht den Rest

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