Dunkle Ernte
und haute ab. Der Junge schwor Rache und drohte, seine Freunde von der Camorra zu holen, um ihn fertigzumachen.
Jack wusste genug über den Ehrbegriff bei Kleinstadtitalienern, um die Drohung ernst zu nehmen. Es brauchte ein wenig Überzeugungskraft, doch schließlich brachte er einen der britischen Soldaten namens Alfie dazu, ihm zu zeigen, wie man ein Messer führte und wie man dreckig kämpfte. Offiziell war Alfie wegen Gehorsamsverweigerung aus den Special Forces entlassen worden. In Wahrheit hatten seine Vorgesetzten mit Besorgnis festgestellt, dass er eindeutig zu viel Spaß an den grausamen Facetten seiner Arbeit fand, ein generelles Problem unter den Elitesoldaten der britischen Streitkräfte. Alfies Geschick im Umgang mit dem Messer war nicht zu leugnen, und angesichts der raschen Auffassungsgabe und des ausgeprägten Gleichgewichtssinns seines Schülers genoss er es, seine hart erarbeitete und aktiv trainierte Kampfkunst weiterzugeben, ohne zu bedenken, dass sein Unterricht rein gar nichts mehr mit Landesverteidigung zu tun hatte.
Jack musste nicht lange warten, um seine frisch erworbenen Kenntnisse in die Tat umzusetzen. Es war ein ruhiger Sonntagmorgen. Eine ärmliche, heruntergekommene Gasse, der kürzeste Weg zum Bäckerladen. Kirchenglocken läuteten. An Leinen, die zwischen den Häusern gespannt waren, flatterte Wäsche im Wind. Mit ohrenbetäubendem Summen wie von einem Riesenmoskito sauste ein Moped vorbei, dann ein zweites. Typisch Italiener , dachte Jack. Viel Lärm um nichts.
Zwanzig Meter vor ihm hielten die beiden Mopeds und blockierten die Straße. Er sah sich in die andere Richtung um. Drei Gestalten schlenderten in aller Ruhe auf ihn zu, keine Kinder, keine Teenager, sondern erwachsene Männer. Sie bewegten sich, als hätten sie alle Zeit der Welt. Eine Falle.
Drei Männer gegen einen dreizehnjährigen Jungen. Jack schüttelte den Kopf. Er war groß für sein Alter und gut gebaut, aber das würde kein Spaziergang werden. Er tastete nach dem Klappmesser in seiner Jackentasche. Ob er es wirklich tun könnte? Keine Frage. Ob er eine Chance hatte? Sie waren zu fünft. Er wäre in null Komma nichts umringt.
Lektion Nummer eins: Zuerst musst du schauen, wie er steht, auf welcher Seite sein Gewicht liegt , meldete sich Alfies Stimme in seinem Kopf. Alles gut und schön, solange man es mit einem einzelnen Gegner zu tun hatte. Die drei Männer bummelten gemächlich auf ihn zu. Der Anführer war ein drahtiger Fiesling mit ausgemergeltem Gesicht und nach hinten gegelten schwarzen Haaren. Er hatte die Hände in den Taschen seiner Joggingjacke vergraben und pfiff fast tonlos und nervenaufreibend schief, ehe er vor Jack auf den Boden spuckte.
»Wir werden dir jetzt eine Abreibung verpassen«, sagte er in gleichgültigem Ton, als langweilte ihn die Unausweichlichkeit der Brutalität, die er gleich an den Tag legen würde. Jack verfolgte jede seiner Bewegungen: wie er ein Klappmesser aus der Tasche zog und die Klinge feststellte, um es dann locker an seiner Seite baumeln zu lassen. Mit Erstaunen stellte Jack fest, dass er keine Angst empfand, nur nervöse Neugier, perverse Erregung.
Lektion Nummer zwei: Überrasche deinen Angreifer. Nutze alle dir zur Verfügung stehenden Mittel, um ihn zu überrumpeln . Jack wich zitternd und mit eingezogenen Schultern zurück und biss sich so fest auf die Lippe, dass sie blutete. Er gab sich alle Mühe, die lähmende Angst darzustellen, die er nicht empfand. Zum Schluss ließ er alle Muskeln locker, bis ihm warmer Urin das Bein hinunterrann und sich ein dunkler Fleck auf seiner Hose bildete. Die Männer lachten, und der mit dem Messer blickte über die Schulter zu seinen Freunden, um in seinem derben neapolitanischen Dialekt eine hämische Bemerkung zu machen.
Das war der Moment. Jack trat blitzschnell vor, schlug dem Mann die Hand mit dem Messer zur Seite, zog ihm sein eigenes Messer von der Achselhöhle quer über den Bauch und stürzte sich dann auf den zweiten Angreifer, der gelähmt vor Entsetzen auf die Hände seines Freundes starrte, durch die dessen Eingeweide quollen.
Jack duckte sich, versetzte dem Mann zwei Stiche in die Schenkel und einen Schlag mit dem metallenen Messergriff gegen das Kinn. Sein Kiefer zerbarst mit einem Krachen, und er sank zu Boden wie ein Sack Getreide. Der dritte Mann griff in seine Tasche und versuchte eine geeignete Angriffsposition einzunehmen, aber es war bereits zu spät. Jack stieß ihm das Messer in die Hand und drehte es
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