Dunkle Ernte
gewöhnlicher Einsatz und ein ganz gewöhnliches Milizen-Camp. Für euch dürfte das ein Spaziergang werden.«
Die Männer um ihn herum nickten mit angespannten Gesichtern.
Ed sah auf die Uhr. »Okay, dann folgt mir. Zehn Meter Abstand. Sehen wir zu, dass wir bis zum Morgengrauen in Stellung sind.«
Jack lag auf dem Tisch und stellte sich schlafend, während er aus dem Augenwinkel den Jungen beobachtete, der ihn bewachen sollte. Das Kind verfolgte müde und gelangweilt eine Ameise, die über den Lauf seines Gewehres krabbelte. Es wäre ein Leichtes, den Jungen zu überwältigen, ihm vielleicht sogar die Waffe abzunehmen, aber aus dem Haus und in den Dschungel zu entkommen war eine andere Geschichte. Konnte man Monsieur Blanc wirklich trauen? Der Mann war ein Rätsel und voller Widersprüche, und doch strahlte er, ganz im Gegensatz zu Sir Clive, eine gewisse Vertrauenswürdigkeit aus. Mit geschlossenen Augen entschied Jack abzuwarten und ließ seinen erholungsbedürftigen Körper in einen Zustand der Entspannung sinken.
49
Monsieur Blanc schleuderte seine Karten auf den Tisch. »Das reicht jetzt, Clement«, protestierte er. »Sie haben mir für eine Nacht genug Geld abgenommen. Ich brauche ein wenig Ruhe.« Bis in die frühen Morgenstunden hatte er seine Pechsträhne anhalten lassen. Er hatte um einen Kartentausch gebeten, als klar war, dass er bald pleite sein würde, und seinen Schuldenberg in echten Fünfzigdollarnoten anwachsen lassen, bis fast zwanzigtausend Dollar zusammengekommen waren. Um das Geld ging es ihm nicht. Die Summe war ein Bruchteil dessen, was Clement ihm für die Module bezahlte. Zu verlieren war eine Geste, seine Art Geschäftsbeziehungen zu pflegen und sich beim Kunden erkenntlich zu zeigen.
Clement sah ihn verschmitzt an. »Ruhe? Sind Sie da sicher, Monsieur Blanc? Mit dem Mädchen auf dem Zimmer? Die ist eine ganz Wilde, das kann ich Ihnen sagen. Da werden Sie sicher keine Ruhe finden.« Er setzte ein schiefes Lächeln auf und nickte bedeutungsvoll.
Monsieur Blanc bemühte sich, seinen Ekel hinter einem lüsternen Grinsen zu verbergen. Der General hatte ihm das Mädchen nur allzu gern überlassen. Bestimmt wollte sie abhauen, die kleine Wildkatze , hatte er gesagt, als Monsieur Blanc ihm erzählt hatte, er habe sie auf dem Flur gefunden.
»Sie haben mich durchschaut, Clement«, erwiderte er und stand vom Tisch auf. Gustav war in einem Korbsessel eingenickt. Monsieur Blanc ließ ihn schlafen und nahm die Marmortreppe zum ersten Stock.
Draußen vor dem Camp lieferten sich die Jungen ein Wettrennen durch den Dschungel. Jeder wollte der Erste sein, der dem General etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Sie hatten nur eine ungefähre Vorstellung davon, wohin sie gingen, und orientierten sich am Mond. Das Ganze war ein Abenteuer für sie, zumal sie froh waren, einmal nicht diese blöden schweren Waffen mitschleppen zu müssen.
Nachts klang der Dschungel anders. Das Quaken der Frösche und alle anderen Geräusche wirkten wie verstärkt. Die Kinder folgten einem alten Trampelpfad, ohne zu wissen, wonach sie suchten, aber im Grunde war ihnen das gar nicht wichtig. Für sie war es eine willkommene Gelegenheit, der Alltagsroutine im Camp zu entkommen. Im wilden Wettlauf preschten sie dahin und peitschten mit ihren Stöcken das Unterholz. Sie kannten die Gegend gut und wussten genau, welche Abschnitte des Dschungels nicht vermint waren und wo das Blätterdach so licht war, dass sie ihre Taschenlampenbatterien schonen konnten. Immer weiter drangen sie in den Busch vor, bis ihnen allmählich die Beine schwer wurden.
Erst nach fast zwei Stunden Marsch beschloss Toma, ihr Anführer, eine Rast einzulegen. Mit seinen dreizehn Jahren war er der Älteste und Größte der Gruppe, und so akzeptierten die anderen seinen Vorschlag und lehnten sich an Baumstämme oder hockten sich auf den Boden. Toma fischte einen zerdrückten Zigarettenstummel aus seiner Tasche, den er im Camp vom Boden aufgelesen hatte, und versuchte ihn anzuzünden. Beeindruckt verfolgten die anderen diese Demonstration von Überlegenheit. Er paffte energisch, bis schließlich eine dünne Rauchfahne aufstieg und die glühende Spitze im Dunkeln glomm.
»Diese Aktion ist total bescheuert, Jumo«, fuhr er einen der Jüngeren an. »Warum hast du dem General gesagt, du hättest was gesehen? Wenn du gelogen hättest, hätten wir im Camp bleiben und uns ein bisschen Jungle Brew besorgen können.« In seinem Hals kratzte ein Hustenreiz. »Ich
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