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Dunkle Ernte

Dunkle Ernte

Titel: Dunkle Ernte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mockler
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damit, dass sie den Jeep bald stehen lassen mussten. Der Regen ließ nicht nach, und das graue Licht der Dämmerung wurde von schweren dunklen Wolken aufgesogen.
    Hinter einer Biegung begann der Weg leicht anzusteigen. Das Gefälle genügte, um die Hinterräder durchdrehen zu lassen, die sich dabei immer tiefer in den Schlamm gruben.
    »Machen Sie langsam, sonst bleiben wir hier schon stecken«, sagte Monsieur Blanc gereizt.
    Gustav ignorierte ihn jedoch und gab Vollgas, sodass eine Schlammfontäne hinter ihnen hochspritzte und sich die Räder noch tiefer in den weichen Untergrund gruben. Gustav drehte den Zündschlüssel um, der Motor erstarb, der Jeep rutschte ein Stück rückwärts und blieb stehen.
    Jack sprang hinaus und sah sich die Hinterräder an, die fast bis zur Achse im dunkelbraunen Schlamm steckten. Mit diesem Wagen würden sie nirgendwohin gelangen, jedenfalls nicht bei diesem Wetter.
    »Entweder wir graben das Auto aus und warten, bis es aufhört zu regnen, oder wir lassen es stehen und gehen zu Fuß weiter«, erklärte er.
    Monsieur Blanc wuchtete seine Leibesfülle aus dem Jeep, um sich den Schlamassel selbst anzusehen. »Er hat recht«, sagte er und griff nach seinem Rucksack, dem er ein GPS -Gerät entnahm, ehe er ihn sich auf den Rücken schwang. »Wir sind fünfzehn Kilometer vom Landeplatz entfernt. Wenn wir zu Fuß gehen, werden wir nach meiner Schätzung bis zum Abend dort sein.«
    Gustav sah nicht überzeugt aus. »Wir sind am Rand von Nbotous Territorium, Chef. Von hier ab hat die ugandische Befreiungsarmee das Sagen.« Er sah sich nervös um.
    Monsieur Blanc zuckte ungerührt mit den Schultern. »Dann schlage ich vor, Sie sehen nach, ob Ihre Waffe trotz Regen noch funktioniert.«
    »Wie weit ist es von hier bis zur Grenze?«, erkundigte sich Jack.
    »Kommt darauf an, bis zu welcher Grenze. Ruanda und Uganda sind nicht weit, doch als sicherste Option würde ich Ihnen Burundi empfehlen. Da haben Sie noch einen ganz schön weiten Weg vor sich.« Er wandte sich gestikulierend an Gustav: »Geben Sie dem jungen Mann eins von Ihren Messern, das mit dem Kompass im Griff. Sagen Sie, Jack, waren Sie als Kind bei den Pfadfindern?«
    Jack schüttelte den Kopf.
    »Wie schade. Bei dem, was Sie vorhaben, hätten Ihnen die Fertigkeiten genützt, die man dort beigebracht bekommt. Hier …« Er griff sich in die Tasche.
    Jack überlegte, was der Chinese wohl zum Vorschein bringen würde. Ein Handy? Eine Schachtel Streichhölzer? Nein. Statt etwas Nützlichem förderte er eine Visitenkarte zutage.
    »Über diesen Briefkasten in Paris kann man Kontakt zu mir aufnehmen«, erklärte Monsieur Blanc. »Sollten Sie lebend hier herauskommen, schreiben Sie mir doch mal. Jemanden mit Ihrem Durchhaltevermögen kann ich immer gebrauchen.«
    Jack nahm die Karte mit großen Augen entgegen. Der Typ hatte vielleicht Nerven.
    »Schauen Sie nicht so enttäuscht drein. Betrachten Sie das Ganze als ein großes Abenteuer.« Monsieur Blanc wandte sich an Gustav, der schmollte, weil er sein Lieblingsmesser hatte herschenken müssen. »Höchste Zeit zu verschwinden«, sagte er und machte sich auf den Weg. »Für Sie, Jack, geht’s immer Richtung Osten«, rief er über die Schulter und zeigte mit einer Hand in den Dschungel. »Und vielen Dank noch mal.«
    Jack sah ihnen nach, wie sie auf dem Weg verschwanden, alle bis auf die Haut durchnässt, Monsieur Blanc in seinem Leinenanzug, neben ihm die junge Schwarze, die er vor Nbotou gerettet hatte, dahinter die riesenhafte Gestalt des Russen. Sie wirkten wie eine groteske Zirkustruppe, ein Clown, kugelrund wie ein Stehaufmännchen, eine gazellengleiche Akrobatin und ein mürrischer Bär, der brav Kommandos befolgte, ohne recht zu begreifen, was andere an seiner Kraft so faszinierend fanden.
    Schwaches Dämmerlicht begann die Wolken zu durchdringen, und die regenfeuchte Luft um ihn erwärmte sich allmählich. Das Grüppchen verschwand hinter einer Wegbiegung ins Dunkel, begleitet von einem infernalischen Soundtrack aus donnernden Explosionen. Jack musste unwillkürlich lachen, die Szene war zu komisch, und die Erleichterung darüber, allein und ganz unvermittelt nicht mehr bedroht zu sein, löste ein an Hysterie grenzendes Schwindelgefühl in ihm aus. Unfassbar, dass er Monsieur Blanc am Ende doch noch unbeschadet entkommen war. Dabei hatte er die ganze Zeit auf den geeigneten Moment zur Flucht gewartet.
    Er drehte sich dem Waldrand zu und benutzte den Kompass, um sich nach Osten zu

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