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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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still, und sogar um diese Zeit konnte ich das unablässige Dröhnen des Straßenverkehrs hören, Menschen, die draußen auf der Straße vorbeigingen und schrilles Geschrei ganz in der Nähe.
    Keine hundert Meter von meiner Wohnung entfernt ist ein Park. Wenn die Sonne untergeht, nehmen die Teenager aus South London ihn in Beschlag; sie turnen wie Affen auf dem Spielplatz herum und kreischen und heulen sich alles Mögliche zu. Heute Nacht waren sie groß in Form. Soweit ich es hören konnte, war da eine Art Verfolgungsjagd im Gange. Mädchen quietschten. Musik dröhnte. Sie ließen ordentlich Dampf ab.
    Und das war genau das, was ich auch nötig hatte, erschöpft oder nicht. Und ich hatte meinen eigenen Spielplatz dafür.

8
    Camden Town war schon lange eine der angesagtesten Gegenden von ganz London, besonders seit dem Ausbau des Camden Stables Market. Ehemals ein ausgedehntes Netzwerk aus Tunneln, Gewölben, Überführungen und schmalen Gängen, war der Markt vor einigen Jahren an einen Bauunternehmer verkauft und in einen riesigen Komplex mit Geschäften, Bars, Marktständen und Cafés verwandelt worden. Tagsüber ist es ein beliebter Ort zum Stöbern, Essen und einfach nur zum Abhängen. Abends strömen die Leute in Scharen hierher. Mindestens einmal in der Woche, für gewöhnlich am Freitag, gehöre ich auch dazu.
    Mein Auto war von der Spurensicherung beschlagnahmt worden, also musste ich mit dem Bus fahren. Als ich auf das Horse Hospital zuhielt, früher ein Stall für kranke und ausgelaugte Arbeitspferde, zog ich meine Jacke aus und stopfte sie in den kleinen Rucksack, den ich über der Schulter trug.
    Camden Market ist voll von Pferden, oder vielmehr Nachbildungen von Pferden. Damals, als die Eisenbahnen gebaut wurden, wurden im wahrsten Sinne des Wortes Hunderte von ihnen hier gehalten, um Waren und Ausrüstung hin und her zu transportieren. Das war eigentlich nichts Ungewöhnliches, doch in Camden fristeten die Arbeitspferde ihr Leben weitgehend unter der Erde. Sie zogen durch Tunnel von einem Teil des Areals zum anderen, die extra dafür konstruiert worden waren, ihnen sicheren Durchlass zu gewähren. Eine Weile standen sie sogar in unterirdischen Ställen.
    Heute sind die Arbeitspferde längst verschwunden, aber überall, wohin man sich wendet, sind Pferdebilder. Wandbehänge, gewaltige, freistehende Statuen, in Geländer, Laternenpfähle und selbst in Mülleimer eingearbeitete Pferdemotive. Ich mag Pferde, aber selbst ich finde, dass das Bauunternehmen es ein bisschen übertrieben hat.
    Die Hitze prallte gegen mich wie eine Mauer, als ich durch den Haupteingang des Horse Hospital trat und dann weiter den Mittelgang hinunterging, vorbei an den Pferdeboxen und der Stallausrüstung von damals. Violette Lichter blinkten zu beiden Seiten. Selbst um diese Zeit war es hier voll, und der Geruch von Alkohol und Menschen hing dick in der Luft.
    In einer der Boxen stieg eine Party, und ganz kurz erwog ich, uneingeladen dort aufzukreuzen. Dann bemerkte ich die roten Heliumballons am Eisengitter. Sie schwankten glänzend in der heißen Luft. Wie Blutstropfen. Ich ging weiter, drängte mich zur Bar durch und holte mir einen Bombay Sapphire auf Eis. Ich kann den Geschmack nicht ausstehen, deshalb trinke ich das Zeug sehr langsam, aber wenn ich eine schnelle Dröhnung brauche, ist es genau das Richtige. Die Uhr hinter der Bar verriet mir, dass es fünf vor eins war. Um zwei macht der Laden zu.
    Noch ein paar Schritte, und ich war von dem sanften orangefarbenen Licht der Fotogalerie umgeben. Um mich herum glänzten goldene Gesichter vor Hitze. Vorhin hatte eine Band gespielt, und oben auf der Bühne packte jemand die Ausrüstung zusammen.
    »Hey, Baby!« Vier Jungs, kaum alt genug, um in der Öffentlichkeit Alkohol zu trinken, verstellten mir den Weg. Der, der mich angesprochen hatte, kam näher getorkelt, streckte die Hand nach mir aus.
    »Wolln wir mal rausgehen?«, bot er an.
    Die Hand hatte meine Hüfte erreicht. Er hatte Mühe, geradeaus zu schauen, und ich glaubte nicht, dass das nur vom Saufen kam.
    »Na ja, das ist ’ne nette Idee«, erwiderte ich. »Aber die von der Klinik haben mir noch kein grünes Licht gegeben. Ich melde mich bei dir.«
    Rasch lächelte ich einen großen, dunkelhaarigen Jungen an, der nüchterner zu sein schien als der Rest. Er grinste zurück, und ich schob mich an ihnen vorbei. Ein paar Schritte weiter fühlte ich eine Hand an meinem Ellenbogen. Der dunkelhaarige Junge war mir

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