Dunkle Gefährtin
berührte das Tattoo auf seiner Wange, von dem seine Lebensessenz in ihre Finger floss. »Ich will nicht, dass du gehst.«
»Es muss sein«, beharrte er und küsste ihre Handinnenfläche.
Verärgert blinzelte Samantha die Tränen weg, die in ihren Augen brannten. »Kannst du mir nicht wenigstens einen Hinweis geben?«
Statt zu antworten, sagte er: »Bleib bei Leda und Hunter, solange ich fort bin. Und fahr jetzt gleich zu ihnen!«
Seine Arroganz war offenbar jeder Situation gewachsen. »Ich kann Pickles nicht allein lassen.«
»Hunter holt ihn. Ich sage ihm Bescheid. Hunter kann gut mit Tieren umgehen.«
»Tain …«
Er beugte sich hinunter, umfasste ihr Kinn und küsste sie fest. »Fahr!«
Dann richtete er sich wieder auf und trat einen Schritt zurück. Samantha fielen ein Dutzend Gegenargumente ein, die sie jedoch für sich behielt. Sie ließ den Motor an und fuhr davon.
Vertrau ihm!
Dieser Gedanke beherrschte sie, auch wenn sie sich innerlich vor Angst krümmte.
Er braucht jemanden, der ihm vertraut.
Als sie aus der Garage fuhr, sah sie in den Rückspiegel, doch Tain war nicht mehr da.
»Und wo genau ist er hin?«, fragte Hunter später am selben Vormittag.
Samantha saß auf der großen Couch in Hunters Wohnzimmer, Pickles auf ihrem Schoß, und ihr gegenüber Hunter und Leda. Wenigstens fragte Leda sie nicht aus, sondern kochte starken Kaffee. Allerdings entging Samantha nicht, wie besorgt sie wirkte. »Ich weiß es nicht. Er hat mir nichts gesagt.«
Ihre Dämonensinne erschauderten bei der ausgeprägten Lebensmagie in dem Haus, obwohl Hunter die Schutzzauber gedämpft hatte, damit sie überhaupt hereinkommen konnte. Hunters Aura war beinahe so stark wie Tains, und Leda war eine sehr luftmagische Hexe. Das Haus gehörte Adrian, dem ältesten Unsterblichen, und seine Magie war überall zu spüren. Die Mischung von allen dreien war ziemlich beachtlich.
Hunter sank tiefer in den weichen Sessel und starrte finster vor sich hin. »Adrian bat mich, auf Tain aufzupassen, solange er hier ist, und ich lasse ihn einfach verschwinden!«
»Du hättest ihn ja schlecht an die Leine legen können«, erwiderte Samantha. »Er wird nie ganz geheilt sein, wenn du ihn nicht hingehen lässt, wo er hinmuss.«
»Wir lieben ihn, Samantha«, erklärte Hunter und fuhr sich mit der Hand durch das braune Haar. »Wir hatten ihn über Jahrhunderte verloren, und jetzt haben wir alle die ganze Zeit Angst, wir könnten ihn wieder verlieren. Sogar Kalen ruft regelmäßig an und fragt nach ihm.«
»Das weiß ich. Aber dass ihr ihn liebt, zeigt ihr ihm am besten, indem ihr ihn gehen lasst und ihm vertraut.«
Hunter kniff die grünen Augen ein wenig zusammen. Unterdessen blickte Pickles sehr interessiert über Samanthas Schulter zu Mukasa, dem Löwen, der unten am Strand entlangschlenderte.
»Du liebst ihn auch«, sagte Hunter zu Samantha.
»Ich fürchte, ja.« Sie versuchte zu lächeln. »Auch wenn er meine Gefühle wohl nie erwidern wird, kann ich nichts dagegen tun. Was immer er vorhat, ich vertraue ihm, weil ich muss.«
»Das verstehe ich«, versicherte Leda, die ihr einen Becher mit frischem Kaffee hinstellte. »Glaub mir!«
In ihrem Blick erkannte Samantha, was Leda nicht aussprechen musste. Ja, es erforderte einiges an Mut, einem Unsterblichen
zu verfallen.
Sie zu lieben ist nicht leicht
, sagten ihr Ledas Augen,
aber es ist jede Sekunde wert.
Tain sah sich alles in dem Gebäude an, was er sehen musste. Dabei benutzte er ein wenig Ablenkungsmagie, so dass die Leute ihn nicht bemerkten. Die beherrschte er seit seiner Gefangenschaft sehr gut, als ein Teil von ihm lernte, wie er sein wahres Ich vor Kehksut verbarg.
Dieser winzige versteckte Teil von ihm war letztlich seine Rettung gewesen. Samantha hatte ihn angesprochen, was seinen Brüdern überhaupt erst erlaubte, sich mit ihm zu verbinden und ihn aus der Verdammnis zu befreien. Er erinnerte sich an den beängstigenden Schmerz, den er erlitten hatte, als sein wahres Selbst schließlich hervorkam, und wie sehr er sich dagegen gewehrt hatte, zurück ins Licht gezerrt zu werden.
Seine Rückkehr hatte bedeutet, dass er sich seinen Qualen wie auch seiner Einsamkeit stellen musste, statt in den Wahn zu fliehen. Die Befreiung durch seine Brüder hatte eine sehr tiefe Wunde in ihm aufgerissen, die lange Zeit blutete.
Nachdem Tain herausgefunden hatte, wonach er suchte, verließ er das Gebäude. Viel Bargeld besaß er nicht mehr, deshalb reiste er so, wie er es im
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