Dunkle Gefährtin
sich an die Brust. »Ich bin das Oberhaupt unserer Familie, eine der mächtigsten Familien im Clan.«
Samantha fiel der Chip aus der Hand, und sie nahm ihre Serviette, um sich die Finger abzuwischen. »Du hast mir immer erzählt, dass du ein niederer Dämon bist, nicht besonders mächtig.«
»Was meine Magie betrifft, stimmt das, aber in politischer Hinsicht besitze ich durchaus Macht. Als mein Vater vor zehn Jahren starb, nahm ich als sein ältester Sohn und Erbe seinen Platz ein. Und du bist mein einziges Kind.« Seine Augen bekamen einen sanfteren Ausdruck. »Wir wollten dich schrittweise an das alles heranführen, aber die Matriarchin hat das Ganze beschleunigt, indem sie dich als Kandidatin wollte. Im Nachhinein würde ich sogar sagen, dass sie recht hatte. Du musst Bescheid wissen.«
»Aber ich bin nur eine Halbdämonin.« Samantha dachte an die Worte der Hausdame:
Manchmal kämpfen sie auch, und die Überlebende wird zur Nachfolgerin.
»Warum sollte deine Familie oder der Clan mich als Matriarchin akzeptieren? Nicht dass ich die Absicht hege, den Posten zu übernehmen.«
»Unsere Familie bringt das erforderliche Durchsetzungsvermögen mit. Die Matriarchin stammt ebenfalls aus unserer Familie – sie war meine Großmutter.« Seine Augen waren dunkler denn je. »Ich hoffe, du denkst wenigstens darüber nach.«
Samantha musste sich beherrschen, um nicht laut zu werden. »Ich kann keine Clan-Matriarchin sein. Der Gedanke allein ist idiotisch. Ich verfüge ja kaum über Magie.«
»Aber du weißt über sämtliche Dämonenclubs und Gangs in Los Angeles Bescheid, von den Vampiren ganz zu schweigen. Du hast an der Seite eines Unsterblichenkriegers einen Ewigen besiegt, und du hast Freunde mit erstaunlichen Fähigkeiten. Außerdem lässt du dir von niemandem etwas bieten. Ich habe nicht vergessen, was du alles im letzten Jahr in Bewegung gesetzt hast, um deine Mutter zu finden.«
Fulton machte eine Pause, während die Kellnerin ihnen Enchiladas und Empanadas brachte. »Ich hoffe, du denkst wenigstens darüber nach«, wiederholte er dann.
Wieder lehnte Samantha sich zurück. Der Duft ihrer Enchiladas mit Reis stieg ihr verlockend in die Nase. Sie hatte einige Vermutungen angestellt, was ihr Vater ihr erzählen wollte, aber hierauf war sie nicht gekommen. Sie hätte gedacht, er würde staunend den Kopf schütteln, wenn sie ihm von der Absicht der Matriarchin berichtete, und ihr zustimmen, dass die Frau den Verstand verloren haben musste.
Und nun hockte er hier, aß Empanadas und erklärte ihr, dass er ebenfalls fand, sie müsste die nächste Matriarchin ihres Clans werden.
»Was sagt Mom zu dem Thema?«
Fulton schluckte, bevor er antwortete. »Sie wusste immer, dass die Möglichkeit bestand. Zwar begreift sie nicht recht, warum es sein muss, aber sie würde dich unterstützen.«
»Dann sind wir also schon zwei«, sagte Samantha, »die es nicht verstehen, meine ich.« Sie sah ihren Vater ernst an. »Ich kann unmöglich Matriarchin werden. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«
»Bitte, überleg noch einmal in Ruhe!«
Samantha atmete tief durch. »Warum willst du so gern, dass ich es werde? Eben hast du noch erzählt, dass ich auf deinen Wunsch hin von Mom als Mensch aufgezogen wurde. Wieso willst du plötzlich, dass ich die Dämonenkönigin werde?«
Fulton legte seine Gabel ab. »Weil du als Matriarchin Macht besitzt und geschützt bist. Samantha, ich habe deine Mutter geheiratet, weil ich sie liebe, aber ich verstieß damit gegen die Konventionen. In früheren Zeiten wurden Halbblutkinder gejagt und umgebracht. Noch heutzutage hört man immer wieder von Dämonen, die Halbdämonen töten und ihr Tun für rechtens halten. Wenn du jedoch die Ma-triarchin bist, von der vorherigen ernannt und aus einer der mächtigsten Dämonenfamilien des Landes stammend, wärst du sicher – und respektiert.«
Samantha blickte ihn eine Weile schweigend an, während er seine Gabel wieder aufnahm und in seinem Reis herumstocherte.
»Das ist mein Leben«, erwiderte sie schließlich leise. »Ich wollte nie etwas anderes sein als Polizistin. Als ich herausfand, dass ich eine Halbdämonin bin, hatte ich Angst, dass sie mich bei der Polizei nicht nehmen, aber dann erfuhr ich, dass ich Detective bei der paranormalen Abteilung werden konnte. Das ist mein Traumberuf, das bin
ich
. Über Dämonen-Clans weiß ich gar nichts, und ich will ganz gewiss keine Oberdämonin sein.« Sie seufzte. »Ich kann nicht.«
Fulton ergriff ihre Hand.
Weitere Kostenlose Bücher