Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
hierhergekommen, um das Geld zu vergraben und dann hat sich ein Disput ergeben …«
    »Disput?«, fragte Jinx.
    »Sie haben sich gestritten. Offenbar einigermaßen heftig, und dabei hat Jake ihn umgebracht und vergraben, und das Geld gleichmit. Ich gehe davon aus, dass sie das Loch bereits vorher gegraben hatten, und Jake wollte sich nicht noch mal die Mühe machen. Wahrscheinlich hat er ihn von hinten mit der Schaufel erschlagen.«
    »Vielleicht haben sie sich gar nicht gestritten, sondern er wollte ihn von Anfang an umbringen«, sagte ich.
    »Das ist beides möglich«, stimmte Terry zu. »Er hat ihn umgebracht und das Geld zusammen mit ihm vergraben. Die Schuhe hat er an sich genommen, weil sie ihm gefielen. Den Hut und den Anzug hätte er wahrscheinlich auch gerne gehabt, aber die waren voller Blut.«
    »Es tut mir ja wirklich leid für den armen Warren«, sagte Jinx, »aber können wir vielleicht mal das Geld zählen? Noch toter wird er nicht.«
    Wir zählten alles zweimal. Es waren fast tausend Dollar. Als wir die Scheine in den Beutel zurücksteckten, wurde es bereits dunkel.
    »Als hätten wir einen Piratenschatz ausgegraben«, sagte Jinx.
    »Genauso ist es«, sagte ich.
    Jinx räusperte sich. »Wisst ihr, das ist ein Haufen Geld, selbst wenn wir May Lynn nicht verbrennen.«
    »Wir müssen uns an den Plan halten«, entgegnete Terry.
    »Müssen wir das?«, fragte ich.
    »Ja, das müssen wir. Deshalb haben wir ja das Geld gesucht.«
    »Wenn wir nach Kalifornien gehen, verbrauchen wir bestimmt eine Menge davon«, sagte Jinx. »Können wir es nicht irgendwo hier in der Gegend ausgeben?«
    »Sei nicht so habgierig«, sagte Terry. »Ohne sie hätten wir gar nichts von dem Geld gewusst, und wenn wir ehrlich sind, gehört es überhaupt nicht uns.«
    »Wenn wir ehrlich sind«, sagte Jinx, »gehört es auch nicht ihr. Oder ihrem Bruder. Es stammt von der Bank.«
    »Glaubst du, ihr Vater weiß, wo es vergraben ist?«, wollte ich wissen.
    Terry schüttelte den Kopf. »Dann hätte er es doch längst ausgegraben und versoffen. Er ist nicht unbedingt der sparsame Typ. Als Jake krank wurde, hat er May Lynn erzählt, wo es liegt, weil er nicht wollte, dass irgendjemand sonst davon erfährt. Offensichtlich hatte sie keine Gelegenheit, es auszugraben und von hier zu verschwinden.«
    »Meinst du, sie wusste von dem ermordeten Mann?«, fragte ich mit einer Kopfbewegung zu dem Loch hin.
    »Das weiß ich nicht«, sagte Terry. »Aber als Jake klar wurde, dass er im Sterben lag, hat er May Lynn wahrscheinlich die Karte zeichnen lassen, ohne ihr zu sagen, dass er seinen Kumpanen unter dem Geld verscharrt hat. Hört mal, wir wollten doch von hier verschwinden, oder?«
    Ich und Jinx nickten.
    »Jetzt haben wir die Gelegenheit dazu. Und May Lynn sollten wir mitnehmen.«
    »Da, wo sie ist, liegt sie doch eigentlich ganz gut«, sagte Jinx.
    Terry sah sie wütend an. »Sie ist unsere Freundin.«
    »War.«
    »Und weil sie tot ist, vergessen wir sie einfach?«
    »Ich vergess sie nicht«, sagte Jinx. »Ich erinner mich noch ziemlich gut an sie. Aber ich mein eben, sie ist tot, und in dem Beutel ist ein Haufen Geld, und ich glaub nicht, dass sie vorhatte, es mit uns zu teilen.«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Wir müssen Busfahrscheine kaufen und das Essen für unterwegs, wir müssen irgendwo schlafen und so weiter. Da kommt einiges zusammen, und ich weiß nicht, ob wir die Kohle dafür ausgeben sollten.«
    »May Lynn wollte nicht in einem Armengrab enden, auf das die Sonne brennt und um das sich niemand kümmert«, sagte Terry. »Und ich finde, das hat sie auch nicht verdient.«
    Ich muss zugeben, die Vorstellung, sie auszugraben und zu verbrennen und dann den weiten Weg nach Hollywood zu fahren, um ihre Asche zu verstreuen, war für mich deutlich weniger verlockend, seit wir einen Beutel voller Geld gefunden hatten. Ich schämte mich ein wenig dafür, dass ich so dachte, konnte aber nichts dran ändern.
    »Was ist jetzt?«, fragte Terry. »Wollen wir sie wirklich im Stich lassen?«
    »Nein, wollen wir nicht.«
    Jinx biss sich auf die Lippen und dachte lange nach. »Okay«, sagte sie schließlich, und das Wort quälte sich aus ihrem Mund wie eine Ratte aus einem engen Loch. »Na schön. Verbrennen wir sie eben und verschwinden von hier.«
    »Gut«, sagte Terry. »Abgemacht.«

9
    Also machten wir uns auf den Rückweg. Terry trug das Geld aus dem Kochtopf. An dem Zuckerrohrfeld blieben wir stehen und schnitten uns noch was zu beißen ab.

Weitere Kostenlose Bücher