Dunkle Gewaesser
den Giftefeu beiseite und fing an zu graben. Dabei erkannte ich ziemlich schnell, dass die Erde erst vor Kurzem aufgewühlt worden war. Mein erster Gedanke war, dass May Lynn das Geld vielleicht schon geholt hatte, aber dann stieß ich mit der Schaufel gegen etwas; ich ließ sie fallen und kniete mich hin. Jinx und Terry machten es genauso, und wir fingen an, die Erde mit den Händen wegzuscharren.
Während wir schufteten, glitt der Tag dahin, und ich hörte irgendwo hinter dem Hügel eine Nachtschwalbe rufen. Wir gruben weiter.
Schließlich schlossen sich meine Finger um etwas Festes, und ich stieß einen Schrei aus. Terry und Jinx halfen mir, an derselben Stelle zu graben, und in null Komma nichts hatten wir einen Kochtopf freigelegt. Der Deckel ließ sich jedoch nicht abnehmen, und als wir am Rand entlangtasteten, erkannten wir, das er mit Wachs versiegelt war.
Wir gruben weiter, schaufelten die Erde drumherum weg und hoben ihn heraus. Der Topf war klein, aber ordentlich schwer. Terry holte sein Taschenmesser hervor und säbelte damit an dem Wachs herum, bis sich der Deckel lockerte und wir ihn abnehmen konnten. Zum Vorschein kam ein Stoffbeutel mit demselben Blumenmuster wie die Vorhänge und May Lynns Kleid. Er warziemlich schwer und mit einem Faden zugebunden. Bevor ich den Knoten lösen konnte, machte sich Terry mit seinem Taschenmesser daran zu schaffen. Wir öffneten den Beutel und schauten rein.
Er war voller Geldscheine, und sogar ein paar Münzen befanden sich drin. Und ein Weberknecht, genauso tot und ausgetrocknet wie das Herz eines Kaufmanns.
»Heilige Scheiße«, sagte Jinx.
»Das ist ein Haufen Geld«, sagte ich.
»Das hab ich nicht gemeint. Schau doch mal!«
Sie deutete auf etwas in dem Grab, direkt unter der Stelle, wo der Topf gewesen war. Vor lauter Aufregung hatten wir nicht bemerkt, was da halb in der Erde steckte: ein Gebiss.
»Und wenn schon«, sagte Terry. »Das ist ein Friedhof. Natürlich liegen hier Knochen rum.«
»Ja, schon, aber schau doch, da.« Jinx deutete wieder mit dem Finger.
Ein Stück von dem Gebiss entfernt lag eine Hand. Mit Fleisch dran. In dem Würmer wühlten.
»Die Würmer hätten längst jeden weggeputzt, der schon länger hier liegt«, sagte Jinx. »Diese Leiche ist vielleicht nicht so frisch wie Morgenmilch, aber allzu lange liegt sie noch nicht unter der Erde.«
»Sie hat recht«, sagte Terry. Er stand auf, nahm die Schaufel und fing vorsichtig an, um die Leiche herum zu graben. Es dauerte eine Weile, aber mit der Zeit kam immer mehr davon zum Vorschein: ein Mann in einem braunen Anzug mit weißen Nadelstreifen, der auf der Seite lag, die Knie ein Stück angezogen. Die Zähne, die wir gesehen hatte, gehörten zu seinem Schädel. Von dem Mann fehlte eine ganze Menge, aber er konnte sowieso nichts mehr damit anfangen.
Die weißen Streifen an seinem Anzug hatten die Farbe des roten Lehms angenommen, und er hatte keine Schuhe an den Füßen,bloß braune Seidenstrümpfe mit blauem Saum. Wo das Gesicht gewesen war, hingen noch immer Fleischreste, und auf dem Schädel saß ein brauner Hut mit schmaler Krempe. Er war ziemlich zerdrückt, aber ihm war trotzdem anzusehen, dass er, wie der Anzug, Geld gekostet hatte und gut zu einer Zigarre und einer goldenen Taschenuhr passen würde.
Terry kniete sich hin und betrachtete die Leiche eingehend. »Die riecht sogar noch. Du hast recht, Jinx. Lange ist die noch nicht unter der Erde.«
Terry zog das lehmverkrustete Jackett des Mannes auf. Offenbar klebte es an der verwesenden Leiche fest, denn es klang, als würde etwas zerreißen. Er tastete die Innentaschen des Jacketts ab, doch sie waren leer. Dann kramte er in den Außentaschen und entdeckte einen Bindfaden und einen Knopf. Schließlich nahm er den Hut vom Kopf, der daraufhin ein wenig zerbröselte. Jemand hatte dem Mann von hinten den Schädel eingeschlagen. Terry schüttelte den Hut, bis er wieder einigermaßen in Form war, schaute hinein und stieß ein lautes Keuchen aus.
»Innen im Hutband steht ein Name«, sagte er. »Warren Cain.«
Er zeigte ihn uns. Ich stieß ebenfalls ein lautes Keuchen aus. »Kam der nicht in May Lynns Buch vor?«
»Das war der Kumpan von ihrem Bruder«, sagte Terry. »Mit dem zusammen er die Bank überfallen hat. Jetzt wissen wir, was aus ihm geworden ist.«
»Und als ob das noch nicht reicht, hat ihm jemand die verdammten Schuhe geklaut!«, sagte Jinx.
»Das war Jake, vermute ich mal«, sagte Terry. »Wahrscheinlich sind sie
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