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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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sollte. Wir würden erst mal nach Hause gehen, uns überlegen, was für Möglichkeiten wir hatten, und uns dann wieder hier treffen. Während ich zusah, wie meine Freunde in der Finsternis ihrer Wege gingen, kamen mir doch wieder Zweifel, unter anderem auch, weil ich über den Wechsel von Tag und Nacht am Fluss nachdachte. So beschissen mein Leben war, es war mir immerhin vertraut. Und obwohl Mama mich mein ganzes Leben lang angelogen und enttäuscht hatte und mein Daddy überhaupt nicht mein Daddy war, fragte ich mich trotzdem, ob ich es mir nicht doch noch mal überlegen sollte. Vielleicht konnten wir ja Cletus das Geld geben und die ganze Sache auf sich beruhen lassen. Die Vorstellung, nach Gladewater zu gehen, um meinen richtigen Daddy kennenzulernen, und dann weiter nach Hollywood zu fahren, gefiel mir, aber war es deshalb auch eine gute Idee, es zu tun? Von dem gestohlenen Geld ganz zu schweigen – auch wenn ich insgeheim hoffte, ich würde einen Anteil davon bekommen, um mir ein hübsches Kleid und ein Paar Schuhe zu kaufen; außerdem könnte ich dann zum Friseur gehen und mir hinterher einen Hut kaufen, wie ihn die Frauen trugen, die aussahen, als gehörten dazu ein Köcher voller Pfeile und außerdem Robin Hood und seine fröhlichen Kumpane.
    Jedenfalls stand ich da am Flussufer und dachte über diese Dinge nach, wie Terry mir erzählt hatte, dass er keine Schwuchtel war, und in meinem Kopf ging alles durcheinander. Meine ganze Welt war aus den Fugen geraten. Urplötzlich konnte ich mich kaum mehr auf den Beinen halten. Ich fing an zu weinen.
    Also tappte ich zu einem umgestürzten Baumstamm in der Nähe, setzte mich drauf und heulte. Nicht lange, aber dafür heftig. Ziemlich bald kamen keine Tränen mehr, und ich wusste auch nicht so genau, warum ich weinte. Ich schluchzte wie ein kleines Kind, blieb noch eine Weile sitzen, bis ich sicher war, dass ich fertig war, und machte mich dann auf den Heimweg. Dabei kam ich mir ausgesprochen dumm vor, weil ich auf dem Baumstamm so viel wertvolle Zeit verschwendet hatte.
    Als ich mich unserem Haus näherte, sah ich, dass nirgendwo Licht brannte, aber neben dem Haus standen drei Pick-ups: Dons Laster, der von Gene und, heilige Scheiße, der von Cletus. Ich überlegte gerade, was ich als Nächstes tun sollte, da trat jemand zwischen den Bäumen hervor, berührte mich an der Schulter und legte mir eine Hand auf den Mund.
    »Ich bin’s, Sue Ellen«, sagte eine Stimme, und natürlich erkannte ich meine Mutter sogleich. »Sei jetzt ganz still.«
    Sie nahm die Hand weg und packte mich an den Schultern.
    »Was machst du denn hier?«, fragte ich sie.
    »Ich weiß doch, dass du immer hier langkommst, also hab ich auf dich gewartet.«
    »Aber warum?«
    »Cletus sucht nach dir, und Constable Sy ist auch schon auf dem Weg hierher. Ich hab gehört, wie Cletus Don und Gene erzählt hat, du hättest irgendwelches Geld gestohlen. Das ist nicht wahr, oder?«
    »Das ist eine lange Geschichte«, erwiderte ich. So viel zu Dons Hellseherei. Er hatte alle seine Informationen aus zweiter Hand.
    »Los komm«, sagte Mama. »Gehen wir ein Stück in den Wald, wo wir ungestört reden können.«
    Dass Mama das Haus verlassen hatte, war schon erstaunlich genug, aber bevor wir losgingen, trat sie zurück ins Halbdunkel und hob einen Jutesack auf, den sie halb hinter sich herschleifte. Ichnahm ihn ihr aus der Hand, weil sie so schwach war wie ein neugeborener Welpe, und der Sack war schwer. Vor lauter Überraschung fragte ich sie nicht mal, warum sie ihn dabeihatte und was drin war.
    Wir gingen zu dem Stamm zurück, auf dem ich vorhin heulend gesessen hatte. Inzwischen war Mama so außer Puste, dass sie mir richtig leidtat, aber es schien mir eine gute Idee, ein Stück vom Haus wegzukommen. Als wir auf dem Stamm saßen, ließ ich den Sack zwischen meinen Beinen auf die Erde sinken. »Was erzählen sie denn über mich?«
    »Ich hab Gene kommen hören und zum Fenster rausgeschaut. Da hab ich gesehen, dass Cletus in seinem Wagen hinter ihm herfuhr. Offenbar ist Cletus zuallererst zu Gene gegangen, denn die beiden sind dicke Freunde, und dann sind sie zu uns gekommen. Das Fenster stand offen, also hab ich sie reden hören. Cletus hat behauptet, du und ein Junge und ein farbiges Mädchen hätten ihm Geld gestohlen. Das farbige Mädchen hätte ihm auf den Kopf geschlagen, um es ihm wegzunehmen. Das ist dann wohl Jinx. Und der Junge ist bestimmt Terry.«
    »Er kennt sie gar nicht«, sagte ich. »Sie

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