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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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mir am Ufer entlang nachgelaufen ist. Es war ziemlich groß, und es kam immer näher. Dann sah ich vor mir, im Unterholz, ein weißes Pferd, und da wusste ich irgendwie, wenn es mir gelingt, das weiße Pferd zu erreichen und mich auf seinen Rücken zu schwingen, dann könnte ich vor dem schwarzen wegreiten.«
    »Vielleicht ist es ein nettes schwarzes Pferd.«
    »Das glaube ich nicht, mein Schatz. Das glaube ich nicht.«
    »Hast du es geschafft?«
    »Ich bin aufgewacht. Also nein. Was jetzt?«
    Das klingt jetzt ziemlich mies, aber ich hab Mama auf dem Baumstamm sitzenlassen und bin losgezogen, um Terry zu warnen, denn er wohnte am nächsten. Mama hatte einfach nicht die Kraft, groß auf Erkundung zu gehen. Also ließ ich sie mit ihren Gedanken an Pferde zurück.
    Ich brauchte eine Weile, um aus den Flussauen rauszukommen und die windschiefen Häuser am Ortsrand zu erreichen. Unterwegs hielt ich die Augen offen, und während ich noch überlegte, wie ich zu Terry gelangen konnte, ohne von seiner Stieffamilie oder seiner Mama bemerkt zu werden, kam er im Mondschein die Straße entlangspaziert und sah dabei so aus, als hätte er einenFuß im Graben und den anderen auf was Rutschigem. Über der Schulter trug er zwei Schaufeln. Als er mich sah, hob er die Hand.
    Ich erzählte ihm, was ich von Mama erfahren hatte, erwähnte jedoch nicht, dass sie uns begleiten wollte. Das hob ich mir für später auf.
    »Verdammt«, sagte Terry. »Bis du und Jinx auftaucht, wollte ich May Lynn längst ausgegraben haben. Ich dachte mir schon, dass Cletus zwei und zwei zusammenzählen würde, was mich und Jinx betrifft, also hab ich gleich mehrere Ausflüge unternommen. Dabei hab ich mir dann auch den Knöchel verdreht. Bin in ein Loch getreten.«
    Wir machten uns auf zum Friedhof, wo May Lynn begraben war.
    »Ausflüge?«, fragte ich.
    »Ich war bereits auf dem Friedhof und hab eine Plane hingebracht, um die Leiche draufzulegen. Dreimal insgesamt, mit allen möglichen Sachen, die wir brauchen werden. Unter anderem eine Schubkarre. Ich war fleißig. Aber die Leiche hab ich noch nicht ausgegraben. Dafür hab ich die Schaufeln hier.«
    »Jinx ist wahrscheinlich inzwischen dort«, sagte ich.
    »Läuft alles nach Plan. Bis sie auftauchen und meiner Mama und meinen Stieftrotteln erzählen, was los ist, haben wir May Lynn ausgegraben, und die haben keine Ahnung, wo wir stecken. Ich hab auch noch eine Überraschung auf Lager.«
    Wir brauchten rund eine halbe Stunde bis zu May Lynns Grab. Jinx saß bereits mit ihrer kleinen Tasche nebendran. Als sie uns kommen sah, sprang sie auf.
    »Habt ja lang genug gebraucht«, sagte sie.
    »Ich war bereits vor dir hier«, erwiderte Terry.
    »Dacht ich mir schon, bei dem, was hier alles rumliegt. Aber trotzdem, ich hab schon befürchtet, Cletus ist hinter mir her wie die gesengte Sau, schließlich kennt er Sue Ellen, und sie kennt uns.«
    »Kluges Köpfchen«, sagte ich. »Viel fehlt da nicht.«
    Ich weihte Jinx rasch ein. Sie sagte: »Mama weiß, dass ich weggehe. Ich konnte sie nicht einfach im Stich lassen. Also hab ich’s ihr erzählt.«
    »Wie hat sie’s aufgenommen?«, wollte ich wissen.
    »Ziemlich gut. So gut sogar, dass ich fast dageblieben wäre. Sie hat mir gesagt, ich soll abhauen, ob ich nun was geklaut hab oder nicht. Hier wird sowieso nix aus mir, und vielleicht hab ich ja woanders mehr Glück. Sie meinte, ein farbiges Mädchen hätte vielleicht drüben in Kalifornien oder oben im Norden eine Chance, aber hier würd ich mir nur die Finger wundarbeiten, bis ich tot umfalle. Ich schreib ihr, sobald Gras über die Sache gewachsen ist – und Daddy auch, wo er im Norden arbeitet. Fast hab ich den Eindruck, dass ich das für sie tue. Außerdem wird es den Leuten hier nicht gefallen, dass ich einem Weißen eins mit dem Stock übergezogen hab.«
    »Da ist gut möglich«, sagte ich.
    »Nimm eine Schaufel«, sagte Terry und reichte mir eine. Ich nahm sie, und wir fingen an zu graben.
    Nach einer Weile gab ich die Schaufel an Jinx weiter, und während ich neben dem Grab auf dem Boden hockte, begriff ich erst so richtig, was wir da machten. Wir gruben May Lynns Leiche aus!
    Als Jinx mit der Schaufel auf den Sargdeckel stieß, schreckte ich aus meinen Gedanken. Jinx und Terry hielten einen Moment inne. »Wir stehen direkt auf ihr drauf«, sagte Jinx.
    »Wir müssen die Erde wegscharren, den Deckel aufbrechen und sie rausholen«, sagte Terry. »Ich hab extra Handschuhe mitgenommen. Die liegen in der

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