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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Und er ist da oben und gibt gut auf uns acht.«
    »Na ja, wenn er da oben ist und auf uns achtgibt«, erwiderte Jinx, »legt er jedenfalls großen Wert darauf, dass wir selbst für uns sorgen.«
    Man hätte meinen können, dass der gute Reverend wegen Jinx’Äußerungen sauer auf uns gewesen wäre, aber das war er nicht. Anfangs gingen sie ihm wohl unter die Haut, aber je länger er dasaß und darüber nachdachte, desto besser gefielen sie ihm offenbar. Vermutlich glaubte er, er könnte Jinx retten und ihre Seele Jesus darbringen. Aber wahrscheinlich ging er wie die meisten Weißen davon aus, dass sie im Niggerhimmel landen würde, damit die Weißen jemand hatten, der ihnen die Wäsche machte und für sie kochte, während sie auf der Harfe rumzupften.
    Jedenfalls debattierten sie ausgiebig über Religion. Ganz egal, wie der Reverend seine Ideen vortrug, er kam nicht weiter. Anscheinend betrachtete er Jinx als persönliche Herausforderung, als seine Mauer von Jericho, die er umstürzen wollte. Das führte dazu, dass wir zum Abendessen blieben und auch Eiscreme bekamen – die ein bisschen flüssig war und nicht richtig kalt –, und das führte wiederum dazu, dass der Reverend im Wagen schlief und wir im Haus, auch wenn er einige Andeutungen machte, ihm wäre lieber, Jinx würde im Schuppen übernachten.
    Mama zog sich ins Schlafzimmer zurück, während wir uns auf Pritschen unter den Tisch legten. Terry schlief sofort ein, aber Jinx und ich blieben noch wach. Ich hörte, wie sie sich hin- und herwarf.
    »Wenn du dich nicht vor dem Abendessen bekehren lässt«, erklärte ich ihr, »bekommen wir morgen vielleicht den ganzen Tag was Gutes zu essen.«
    »Ich lass mir Zeit damit, versprochen.«
    »Kann aber sein, dass er die Diskutiererei irgendwann über hat, und dann solltest du dich taufen lassen, damit wir weiter ein Dach über dem Kopf haben. Im Moment hat er seinen Spaß daran, dich zu überzeugen, aber irgendwann besteht er vielleicht darauf.«
    »Ich finde, wir brauchen eigentlich gar kein Dach«, sagte Jinx. »Wir sollten mit dem Floß weiterfahren und nicht hier rumhocken. So weit sind wir noch nicht gekommen.«
    »Mama geht es besser. Sieht so aus, als wär sie sogar ein wenig glücklich. Vielleicht braucht sie nur etwas Zeit.«
    »Ich hatte mal einen Onkel, der hat gesoffen. Mit diesem Allheilmittel ist es genau dasselbe. Wenn jemand damit aufhört, dauert es einen Tag oder so, und dann halten sie es ohne fast nicht mehr aus, und dann werden sie krank, und irgendwann geht’s ihnen wieder besser, wenn sie die Finger davon lassen. Aber für deine Mama wird es erst noch richtig schlimm, darauf musst du gefasst sein.«
    »Das kannst du doch gar nicht wissen.«
    »Und ob ich das weiß«, sagte sie. »Genauso wie ich weiß, dass das Brathuhn heute Abend versalzen war.«
    »Dir macht’s auch nix aus, einem geschenkten Gaul ins Maul zu schauen, was?«
    »Selbst wenn der Gaul geschenkt ist, sollte man ab und an nach seinen Zähnen sehen, nicht dass die alle rausfallen. Außerdem ist das nicht der Grund, warum er will, dass wir hierbleiben. Das Gerede über Religion ist ihm nicht so wichtig. Er hat es auf deine Mama abgesehen.«
    »Das hab ich mitgekriegt.«
    »Wenn er sie anschaut, bekommt er ganz gierige Augen.«
    »Glaubst du, er hat üble Absichten?«
    »Auch nicht mehr als jeder andere Mann.«
    Aus jener Nacht wurde eine ganze Reihe von Nächten, und irgendwann hörte ich auf zu zählen. An den Fluss dachte keiner mehr. Das Essen war gut, und die Gläubigen brachten es dem Reverend immer kostenlos vorbei, auch wenn eine von ihnen es dauernd mit dem Salz übertrieb.
    Es tat gut, keinen Finger krumm machen zu müssen, und ich brauchte auch kein Holzscheit mehr ins Bett mitzunehmen. Niemand brüllte rum, und Mama hinkte auch nicht mehr mit einem blauen Auge ins Schlafzimmer. Der Reverend hatte eine schöneSingstimme, und er sang Kirchenlieder und manchmal auch was Älteres, und es klang immer gut, als würde seine Stimme aus einem tiefen Brunnen zu uns raufdringen.
    Trotzdem waren wir froh, dass der Reverend uns half, das Ruder für unser Floß zu bauen. Dann baute er in seiner Mitte noch eine Hütte. Besonders groß war sie nicht, aber wenn wir die Luft anhielten und das Denken einstellten, passten wir alle rein. Er schenkte uns sogar einiges an Vorräten, die wir in der Hütte aufbewahrten, damit wir versorgt waren, wenn wir irgendwann weiterfahren wollten.
    Aber nachdem alles fertig war, fuhren wir nicht weiter.

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