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Dunkle Gewaesser

Dunkle Gewaesser

Titel: Dunkle Gewaesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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wir den Reverend nicht dazu überreden können, uns irgendwohin zu fahren.
    Vor der Veranda stand ein Brunnenhaus, ordentlich aus abgelagerten Brettern gezimmert. Aus dem Dach ragte seitlich eine Plattform, auf die man hochklettern konnte, um den Eimer an einem Flaschenzug ins Wasser runterzulassen. Ganz in der Nähe gab es auch noch einen größeren Schuppen, offenbar aus dem gleichen Holz gebaut wie das Haus und mit den gleichen Schindeln gedeckt. Unter dem Vordach, vor einer Tür, stand eine lange Bank. Nicht weit entfernt entdeckten wir ein blutrot gestrichenes Klohäuschen;es war erst vor Kurzem errichtet worden – ein paar überzählige Kanthölzer lagen daneben auf der Erde.
    Nur der Garten wollte nicht zu alldem passen. Er war ziemlich groß und quadratisch, und auf zwei nur oberflächlich umgegrabenen Hügeln wuchsen von Insekten zerfressene Kürbisse und eine Reihe gelblicher, vertrockneter Bohnen. Das Ganze sah so aus, als müsste man es dringend anzünden und unterpflügen, um es von seinem Elend zu erlösen.
    Auf einer Anhöhe nicht weit weg stand eine Kirche. Dort predigte der Reverend also, und das Haus hier hatte dann wohl seine Gemeinde gebaut.
    Das Haus hatte Fenster an allen vier Wänden, an den längeren sogar zwei. Sie waren hochgeschoben, um frische Luft reinzulassen, und Fliegengitter hielten das Ungeziefer draußen. Drinnen war es kühler, als ich erwartet hatte, was wahrscheinlich an der hohen Decke lag. In einer Ecke stand ein neuer Eisschrank, und ansonsten lag alles voller Zeug, das so alt war, dass es aus einer ägyptischen Pyramide stammen konnte. Aber es war eine Menge Zeug. Wir nahmen alle an einem großen Holztisch in der Mitte des Raumes Platz. Der Reverend holte Gläser aus einem Wandregal, ging zum Eisschrank, nahm einen Eispickel und hackte uns Splitter davon ab. Die füllte er in ein Glas, und dann nahm er einen Krug mit Tee heraus und schenkte ein.
    Da saßen wir nun und glotzten einander an, während wir Tee schlürften, der mit so viel Zucker gesüßt war, dass mir ganz schummrig wurde, aber die kalte Flüssigkeit tat gut.
    Reverend Joy verlor jedes Interesse an uns Kindern und schaute die ganze Zeit nur Mama an. Sein Blick erinnerte mich an ein krankes Kalb, das seine Mutter anstarrt.
    »Sind Sie auf einem Picknickausflug?«, fragte er.
    »Eher auf einer Pilgerreise«, antwortete Mama. »Wir sind unterwegs, um zu sehen, was wir sehen können.«
    »Tatsächlich?«
    »Aber ja.«
    »Nun, ich freue mich jedenfalls, Sie hier in meinem Haus zu haben, und dass Gott uns zusammengeführt hat.«
    »Oder der Fluss«, sagte Jinx.
    »Wie bitte?«
    »Vielleicht hat der Fluss uns zusammengeführt, und nicht Gott.«
    »Ist das nicht dasselbe?«
    »Schon möglich, aber wenn es dasselbe ist, dann sorgt derselbe Fluss, wegen dem wir hier am Tisch sitzen und Tee trinken, auch dafür, dass wir ersaufen oder von einer Schlange gebissen werden.«
    Reverend Joy grinste Jinx an. Sie sah ziemlich übel aus, wie wir alle, außer Mama. Allerdings hatte sie auch nicht zwei Leichen ausgegraben, eine davon in einer Ziegelei verbrannt und einen Haufen Zeug auf ein Boot geschleppt, um dann den Fluss runterzustaken und zu paddeln. Kein Wunder, dass wir nicht mehr allzu frisch wirkten. Jinx übertraf uns allerdings alle. In ihren Zöpfen steckten Strohhalme, und an ihrer Hose klebte nasse Erde. Wenn sie von ihrem Stuhl aufstand, würde ihr Hintern wahrscheinlich genug Matsch zurücklassen, um ein halbes Maisfeld darauf zu pflanzen, mit Platz für das ein oder andere Gurkenbeet.
    »Du klingst nicht, als würdest du das Wort des Herrn im Herzen tragen«, sagte Reverend Joy, wobei er unverdrossen weiterlächelte.
    »Ich mach mir so meine eignen Gedanken«, erwiderte Jinx.
    Das stimmte wohl, aber ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie damit nicht hinterm Berg hielt, sondern sie bei jeder Gelegenheit zum Besten gab. Ich hoffte, dass es der Reverend dabei belassen würde, aber wie alle Pfaffen und Politiker war er dazu nicht in der Lage.
    »Du gehörst wohl zu denjenigen, die erst ein Wunder erleben wollen, bevor sie glauben«, sagte er.
    »Das wäre immerhin ein Anfang. Dann würde ich’s mir jedenfalls mal überlegen.«
    Reverend Joy kicherte, wie über etwas, das ein albernes Kätzchen getan hatte, und vielleicht dachte er dabei auch an einen Sack und ein paar Steine und einen Spaziergang zum Fluss. »Wunder geschehen jeden Tag.«
    »Haben Sie selbst schon welche erlebt?«
    »Die Drossel, die jeden

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