Dunkle Gewaesser
Mäuse und Ratten. An einer Stelle rannten so viele durch das Sumpfgras, wie ein räudiger Hund Flöhe hat. Überall krächzten Krähen, und da und dort hatten Wildschweine die Erde aufgewühlt. Im Laufe des Tages wurde es so heiß, dass der Sumpf anfing zu stinken, aber im Vergleich zu dem Geruch in der Hütte war das französischesParfüm für uns. Wie schon letzte Nacht hörten wir Donner grollen, und Blitze zuckten über den Himmel.
»Der Regen scheint es ernst zu meinen«, sagte ich. »Aber er ruht sich immer wieder aus.«
»Das kann ich ihm nicht verübeln«, erwiderte Terry. »Eine Pause wäre nett.«
Da hatte er recht. Nachdem wir die ganze Nacht durch den Matsch gestapft waren und dann auch noch gesehen hatten, was wir gesehen hatten, waren wir so müde, dass wir, als wir ein paar schattige Pappeln erreichten, ohne ein Wort stehenblieben. Wir warfen unsere Taschen hin, hockten uns mit dem Rücken an einen Baumstamm und schlossen die Augen. Und obwohl es heißt, um finstere Gedanken würde sich keine Ruhe ranken, holte uns die Erschöpfung bald ein wie eine Dampflokomotive und ratterte über uns weg.
Ich träumte wieder von Hollywood, der gleiche Traum wie zuvor. Wir waren mit May Lynns Asche auf dem Floß unterwegs, aber dieses Mal winkte uns niemand zu. Die ganzen schönen Menschen sahen toll aus, aber sie stanken so schlimm, dass es einer Made den Appetit verschlagen hätte. Von dem Geruch wurde ich wach.
Als ich die Augen aufmachte, war es fast dunkel. Vom Gefühl her hatten wir nur ein paar Minuten geschlafen, aber in Wirklichkeit hatten wir den halben Tag verratzt. Irgendwas stank ganz fürchterlich, und ich sah zu Terry rüber. Er war ebenfalls wach. Ich wollte etwas sagen, aber er berührte mich sanft an der Schulter, hauchte »Psst« und deutete mit dem Finger. Ich schaute in die angegebene Richtung.
Ein ganzes Stück entfernt Richtung Fluss eilte eine dunkle Gestalt durch das verblassende Tageslicht. Sie trug eine Melone, an der etwas Helles befestigt war. Ihre Haare waren lang und gekräuselt, standen unter der Melone an den Seiten ab und fielen ihr wie ein großer Bausch Kupferdraht über den Nacken. Etwas baumelteihr am Kopf hin und her. Im Zwielicht sah ihr Gesicht aus wie poliertes, blutüberströmtes Mahagoni. In der Hand hielt der Mann einen Wanderstock, und als er die Füße hob, sah ich, dass sie riesig waren. Für einen Moment hatte ich den Eindruck, dass dieser Fremde kein Mensch war. Der Gestank verriet mir natürlich, wer das war: Skunk. Aber vielleicht war Skunk ja gar kein Mensch.
Wir schauten ihm nach, bis er an uns vorbei war und von der Böschung verschluckt wurde, die zum Sabine hin abfiel. Nach einer Weile sagte ich: »Toller Fährtenleser. Hier pennen wir unter einem Baum, und er sieht uns nicht mal.«
»Das war aber auch Glück«, erwiderte Terry. »Hier im Schatten sind wir schwer zu erkennen. Vermutlich hat er sich, nachdem er etwas im Wagen gedöst hat, hier draußen einen bequemeren Schlafplatz gesucht. Das entspricht mehr seinen Gewohnheiten. Wären wir nicht hier raufgegangen, würden jetzt die Vögel an unseren Leichen rumpicken. Wahrscheinlich hat Constable Sy ihm verraten, dass wir auf dem Fluss weitergefahren sind. Weil er uns irgendwo flussabwärts vermutet, achtet er auch nicht so sehr auf seine Umgebung.«
»Aber stößt er nicht irgendwann auf unsre Fährte von heute Morgen?«
»Ja. Und dann weiß er auch, woher wir gekommen sind und wo das Floß ist. Oder er kehrt um, weil er uns einholen will. Oder er macht erst das eine und dann das andere.«
»Dann müssen wir vor ihm beim Floß sein.«
»Und wie willst du das anstellen – fliegen?«
»Nein«, erwiderte ich. »Wir werden unter seinen Füßen durchsegeln.«
»Du meinst auf dem Fluss?«
»Natürlich mein ich auf dem Fluss.«
»Und wie soll das gehen? Willst du die ganze Strecke schwimmen? Oder auf einem Fisch reiten?«
»Erst mal müssen wir runter ans Wasser, und zwar schnell. Gütiger Himmel, hast du seine Füße gesehen?«
»Ja, aber das waren keine Füße.«
»Was denn sonst? Übergroße Schuhe?«
»So was wie Schneeschuhe. Weißt du, was das ist?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Die sind besonders lang und breit, damit man auf Schnee laufen kann. Er hat was Ähnliches, und damit läuft er über den Sumpf, ohne einzusinken. Wahrscheinlich treibt er sich andauernd auf matschigem Gelände herum.«
»Los, komm. Ich hab eine Idee, aber wir müssen uns beeilen.«
Wir sprangen auf, schnappten
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