Dunkle Gier: Roman (German Edition)
Julio zum Abschied, schloss das Fenster und zog die Vorhänge wieder zu. Sie war müde, aber der Gedanke, ein paar Stunden für sich allein zu haben, gefiel ihr, und deshalb beschloss sie aufzubleiben.
In der Badewanne lag sie lange mit geschlossenen Augen da und erlaubte sich, in aller Ruhe über Zacarias nachzudenken. Er war ein solches Rätsel – ein Mann, der nicht einmal eine richtige Vorstellung davon hatte, wer er war. Er tat ihr furchtbar leid, weil er so ganz und gar allein war. Niemand dürfte so einsam sein. Und er hatte auch nicht die geringste Vorstellung von seinen eigenen Gefühlen. Er hatte sich nie verziehen und seine Erinnerungen so tief in sich vergraben, dass er sich nicht einmal eingestehen wollte, dass er sich an diese furchtbare Tragödie in seinem Leben erinnerte.
Marguarita seufzte, sank noch tiefer in das heiße, duftende Wasser und tauchte auch den langen, dicken Zopf ein. Sie war so erschöpft, dass es ihr schwerfiel, ihre Gedanken von Zacarias abzuwenden. In der kurzen Zeit ihres Zusammenseins hatte sie fast immer Angst vor ihm gehabt, weshalb es eigentlich völlig unverständlich war, dass sie so fest entschlossen war, ihm zu helfen. Niemand sollte so allein sein, so abgeschnitten von allem, was sanft und freundlich war. Zacarias war so wenig Menschlichkeit geblieben, dass er nicht einmal mehr glaubte, er könne das Raubtier in sich überwinden.
Marguarita konnte in ihn hineinblicken, doch wann immer sie versuchte, ihm klarzumachen, dass er tief im Innern anders war, wies er sie zurück. Es war fast so, als fürchtete er diese weichere Seite von sich selbst. Sie machte ihn verwundbar, und das war Zacarias de la Cruz noch nie gewesen – oder zumindest erinnerte er sich nicht daran. Und wollte sich auch nicht erinnern.
Zacarias hatte so lange als gefährlicher Vampirjäger gelebt, immer allein und abgekapselt, dass er tatsächlich keine Möglichkeit mehr hatte, sich in die moderne Gesellschaft einzufügen, sich den Menschen oder auch nur seinen eigenen Leuten anzupassen. Er hatte größtes Vertrauen in sich selbst als Jäger, aber nicht als Mann. Doch da irrte er sich. So arrogant und gefährlich er auch war, hatte er auch etwas Sanftes und Liebevolles in sich. Seine enorme Loyalität und sein Pflichtgefühl waren bewundernswert. Nur sah er es nicht so. Für ihn gab es nur Schwarz oder Weiß.
Marguarita trocknete sich langsam ab, ließ sich Zeit und genoss das Gefühl, ihr Zuhause einmal für sich allein zu haben. Endlich konnte sie sich wieder so fühlen, als gehörte es ihr. Sie war so lange die Hausherrin gewesen, dass sie nun, da Zacarias daheim war und ihr Vorschriften machte, wohin sie gehen durfte und was sie anziehen sollte, schon fast vergessen hatte, wie friedlich das Haus für sie war. Es war ihre alleinige Domäne. Marguarita hielt es sauber, gestaltete es, wie sie wollte, und hatte ihr Leben selbst in der Hand. Sie hatte Verehrer, die kamen und gingen, und das hob ihr Selbstvertrauen, aber sie wusste, dass sie keinen von ihnen zum Ehemann würde haben wollen.
Zacarias. Allein der Gedanke an ihn sorgte dafür, dass sie sich lebendig fühlte. Sie liebte das Reiten, die Freiheit, auf einem ihrer Pferde über den Boden zu fliegen, und Zacarias gab ihr die gleiche Art von Kick, nur noch viel intensiver. Er war absolut nicht friedlich, aber in seiner Gesellschaft zu sein war ungemein belebend. Marguarita saß an der Frisierkommode, bürstete ihr langes Haar, um ihm wenigstens einen Anschein von Gepflegtheit zu geben, und dachte weiter über Zacarias nach.
Trotz seiner harten Züge war er ein gut aussehender Mann. Sein prachtvoller, durchtrainierter Körper war der eines Kriegers. Dass sie sich körperlich zu ihm hingezogen fühlte, stand außer Zweifel, aber das war nicht der Punkt. Wahrscheinlich würden die meisten Frauen seinem Aussehen nicht widerstehen können. Er war faszinierend, und seine fast schon animalische Schönheit war es ebenfalls. Aber es war viel mehr an ihm, als es den Anschein hatte, und offen gestanden reizte dieser Mann sie sehr.
Marguarita zog ihre übliche Hauskleidung an, eine Bluse und einen langen Rock, und runzelte dann ein wenig die Stirn, als ihr klar wurde, dass sie sich damit auch nach Zacarias’ Wünschen richtete. Doch es wäre albern, Jeans zu tragen, nur weil er gesagt hatte, ihm gefalle feminine Kleidung. Außerdem liebte sie ihre Röcke – und würde sich so oder so nicht für ihn ändern. Niemand hatte ihr je Vorschriften gemacht,
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