Dunkle Häfen - Band 1
'Kontakt' gefunden. Erst in einer heruntergekommenen Schenke trafen sie auf den Tipp eines Bettlers mit einem verkrüppelten Bein, einen Mann, der ihnen das Schiff abkaufte.
"Der Kerl sah vielleicht aus! Er war sicher noch viel verdächtiger als wir!"
Der Mann hatte anscheinend ausgesehen, als mache er oft mit Piraten Geschäfte, was auch immer das genau bedeuten mochte. Er war Mittelsmann für reichere Schiffskäufer und sehr hartnäckig im Feilschen. Schließlich war man die Prise jedoch zu einem ansehnlichen Preis losgeworden und machte sich wieder auf den Rückweg. Den mussten sie allerdings in Beibooten antreten - wieder an den Schiffen Royal Navy vorbei. Zum Glück hatte keiner sie gesehen. Es ging vermutlich schon wieder auf den Morgen zu, als sie im Schutze der Dunkelheit die Fate erreichten. Ramis hatte schon geschlafen, wie er festgestellt hatte. Übrigens, er habe ein paar kleine Mitbringsel aus Trepassey mitgenommen, teilte er ihr stolz mit. Einige Münzen, eine Kette und einen Haarkamm. Den schenkte er Ramis. Er war wirklich schön, perlmuttfarben und mit kleinen bunten Steinen. Er glänzte in ihrer Hand.
Sie segelten die amerikanische Küste hinab nach Süden. Allmählich kamen immer größere Städte in Sicht. Einmal sahen sie in der Ferne eine größere Ansiedlung.
"Das ist New York ", belehrte Bess Ramis. "Früher konnte man dort ganz wunderbar Geld verdienen, weil Colonel Fletscher, der Gouverneur, mit uns Geschäfte machte. Das hat sich inzwischen leider geändert. Hast du schon mal von Thomas Tew gehört?"
Bess fragte das so, als wäre es eine Schande und unverzeihliche Dummheit, ihn nicht zu kennen. Natürlich hatte Ramis noch nie von ihm gehört. Sie schüttelte den Kopf. Bess schnaubte. Keine Allgemeinbildung mehr!
"Er war einer der größten Piraten aller Zeiten, meine Kleine! Meine erste Zeit auf See fuhr ich auf seinem Schiff mit. Ich hatte mich damals als Junge verkleidet, um mitreisen zu können. Romantisch, nicht? Aber du weißt ja, was für eine Strapaze das ist. Tew war damals noch nicht so berühmt und ich noch jung. Es war ein Abenteuer, das ich mir nie erträumt hätte. Wir reisten weit fort, weit nach Osten, wo man damals leicht unsagbare Reichtümer finden konnte. Aber es war hart! Dennoch, ich war entschlossen, durchzuhalten. Ich verschaffte mir meine Achtung, und so machte es keinen so großen Unterschied, dass ich eine Frau war. Hast du den Leuten erst mal dein Können und deine Überlegenheit gezeigt, erkennen sie dich an. Die Piraten sind ein wilder Haufen, aber wenn man ein paar Kniffe kennt, kann man mit ihnen fertig werden. Du musst dich nur immer wieder beweisen."
Ramis war sich sicher, dass viel mehr dazugehörte als 'ein paar Kniffe', um von den Piraten akzeptiert zu werden. Sie wunderte sich ein wenig, warum Bess das ihr erzählte. Es war das erste Mal, dass Ramis etwas von Bess Vergangenheit hörte.
"Als du zu uns gestoßen bist – mehr oder weniger unfreiwillig – warst du da schon gebunden? Ich meine, ob du da an irgendeinen Mann gekettet warst?"
Ramis schüttelte wild den Kopf. Nein, sie hatte keine derartigen Bindungen gehabt.
"Weißt du ", fuhr Bess nachdenklich fort und schürzte dabei die Lippen. "Ich bin damals einer Ehe mit einem gewalttätigen Mann entflohen. Eines Tages sagte ich mir, so jetzt reicht es. Du gehst jetzt los und suchst deinen Traum: unabhängig zu sein. Frei zu sein, nicht der Willkür eines elenden Trunkenbolds unterworfen."
"Du warst verheiratet?" Ramis konnte es sich nicht vorstellen.
"Ja. Wie jede ehrbare Frau, verscherbelt an den Nächstbesten. Er war krankhaft eifersüchtig, schlug mich. Die Piraterie war damals recht berühmt, so viele träumten davon. Auch ich. Als ich mich auf den Weg machte, hatte ich alles andere als eine idyllische Zukunft vor mir. Auf den großen Fahrten starben die Leute wie die Fliegen, an Malaria und allen denkbaren Seuchen. Ich lebte immer mit der Angst, die nächste zu sein. Aber ich denke, ich habe es geschafft. Am Piratenleben, so grausam und opferreich es auch sein mag, ist etwas, das einen entschädigt. Allerdings muss man das Berufsrisiko in Kauf nehmen. Wir verlieren ständig Leute an den Tod."
"Wie ging es mit Euch als Pirat weiter?"
"Nun ja, irgendwann hatte ich genug zusammengespart, um Tew eine Prise abzukaufen. Ich taufte sie Breeze of Fate . Eine Mannschaft hatte ich schnell zusammen. Einige der Männer hier, die du siehst, waren von Anfang an mit dabei. Ich bin rechtmäßige
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