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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Schwarzes Haar bedeckte seinen Kopf, er trug ungewöhnliche Kleidung, schwer und dunkel.
    "Halt, warte!" , rief Ramis und beeilte sich noch mehr.
    Es war lebenswichtig, den Mann zu erreichen. Er schien ihren Ruf nicht zu hören, denn er zeigte keine Reaktion. Er ging mit großen Schritten weiter, ohne dass Ramis jedoch je sein Gesicht sehen konnte. Plötzlich verschwanden sie beide im Nebel.
    "Halt!" , schrie sie wieder verzweifelt. Ich werde mich verirren und niemals wieder herausfinden!
    Sie bekam schreckliche Angst, man konnte nicht einmal mehr seine eigene Hand vor Augen sehen. Ziellos steuerte sie durch den Nebel, bis sie in einen Wald kam. Direkt vor ihr öffnete sich der Nebel, um eine Lichtung freizugeben. Dort war eine Quelle, deren Wasser so rein war wie feinste s Glas. In ihr stand eine schöne Frau in einem weißen Gewand, die ihre langen blonden Haare wusch. Sie trieben so fein dahin, wie sie es nur im Wasser konnten. Die Frau stand bis zur Hüfte im Wasser, ihr Kleid war aber nicht nass. Jetzt sah Ramis auch den Mann wieder. Er watete auf die Frau zu. Ramis schrie ihnen wieder zu und konnte nicht verstehen, warum sie sie nicht beachteten. Verrat. Etwas zerrte Ramis unaufhaltsam weg. Eine Hand, die aus einem schwarzen Umhang ragte, wie der Tod ihn auf Bildern trug. Das Gesicht war unter der Kapuze verschwunden. Irgendwo am Rand ihres verzerrten Bewusstseins des Traumes galoppierte eine Schar Reiter dahin, ihre blutigen Schwerter schwingend. Der Tod, für den Ramis ihren Entführer hielt, zerrte sie immer weiter fort, weg von den beiden Menschen in der Quelle. Ramis spürte ein furchtbares Entsetzen in sich, das sie völlig erschütterte. Plötzlich war sie in einem überfüllten Ballsaal. Die ganze Pracht drückte auf sie herunter. Der Kapuzenmann stellte sich neben einen riesigen Thron, auf dem König William saß. Um ihn herum standen dumpf die Höflinge, ihre Augen waren leer wie die von Toten. Kein einziger Laut drang an Ramis Ohr, bis der Kapuzenmann zu lachen anfing. Sie kannte dieses Lachen. Es gehörte Sir Edward. Vor dem Thron saß der Junge mit den zerzausten Haaren, den Ramis einmal gesehen hatte: auf dem Ball in Kensington Palace. Er stand auf und ergriff ihre Hand. Der König richtete sich auf und sagte mit tonloser, monotoner Stimme:
    "Verfluchte! Verflucht seist du!"
    Ramis erschrak, aber man führte sie fort, fort von dem stummen Gefolge, dem lachenden Sir Edward und dem blassen König.
    Sie wachte so plötzlich auf, dass sie erst gar nichts verstand. Langsam stellten sich die Gedanken wieder ein und sie begriff, dass sie nur geträumt hatte. Sie konnte jedoch keinen Sinn darin sehen, wie so oft hatte das Geträumte seine Logik verloren, wenn man aufgewacht war. Und so vergaß sie es wieder, der Traum sank zurück, woher er gekommen war. Gleich darauf wurde ihr klar, dass es helllichter Tag war. Wie der Blitz war sie aus dem Bett und in ihren Kleidern. Es war ein Vergehen, zu spät aufzustehen. Die Mannschaft ging natürlich schon ihren alltäglichen Beschäftigungen nach, als sie an Deck stolperte. Ramis entdeckte Edward neben einem der Matrosen, der ihm Seemannsknoten zeigte. Erleichtert trat sie zu ihm und umarmte ihn, was ihr verärgerte Blicke des Matrosen einbrachte.
    "Du bist wieder da! Welch ein Glück!"
    Edward strahlte sie an.
    "Hast du aber lange geschlafen, Tante! Ich wollte dir doch von Trepassey erzählen!"
    "Nachher ", meinte Ramis, als sie die Mienen um sich herum sah.
    Sie durfte sich nicht einfach vor der Arbeit drücken. Ohnehin bekam sie schon eine Strafpredigt vo n Bess und Strafarbeit wegen des Verschlafens – es hatte sie ja niemand geweckt, oder? Das war gemein. Ganz zufällig hatte man wohl vergessen, Ramis ebenfalls zu wecken. Nun ja, Edward hatte sicher wirklich nicht daran gedacht, in welche Schwierigkeiten das seine Tante bringen würde. Inzwischen hatte man die Anteile am Gewinn der Prise ausgeteilt. Ramis war überrascht, dass sogar sie und Edward ein bisschen bekamen. Es war weniger als die anderen, aber immerhin etwas und sogar mehr, als Ramis je mit ihren Schreibertätigkeiten verdient hatte. Stolz versteckte sie ihr Geld bei ihren Besitztümern.
    Erst am Abend konnte Edward ihr von seinem Abenteuer berichten. Eifrig und gestikulierend schilderte er, wie sie mitten durch die Royal Navy gefahren waren und unversehrt den Hafen erreicht hatten. Sie mussten dabei alle ganz unauffällig sein. Kurz darauf war es dunkel geworden und sie hatten immer noch keinen

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