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Dunkle Häfen - Band 1

Dunkle Häfen - Band 1

Titel: Dunkle Häfen - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elin Hirvi
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Säbel voller Entschlossenheit und Wut. Bess ging nicht darauf ein, sie versuchte nicht, Ramis zu besänftigen. Sie hatte aus ihrer Sicht ja auch keinen Grund dazu.
    Unterdessen steuerten sie Barbados an, eine weitere kleine Insel der Karibik. Dort würden die Fate allem Anschein nach eine gründliche Reparatur bekommen. Ihre anderen Pläne hatten sie endgültig aufgeben müssen, sie würden den Treffpunkt mit den anderen Piraten nicht erreichen können, vor allem nicht in diesem Zustand. Und so segelten sie mit eingezogenem Jolly Roger in Bridgetown, der Hauptstadt von Barbados, ein. Ihre Anwesenheit erregte dort in dem Trubel der ein- und auslaufenden Schiffe kein großes Aufsehen.
    Die Männer der Mannschaft zogen, kaum waren sie entlassen, los, um sich das Salz aus der Kehle zu spülen und ihre einsamen Nächte zu vergessen. Bess hatte für sich, Ramis und Edward ein kleines Zimmer in einem Gasthof gemietet, bis das Schiff repariert war. Ramis folgte der großen Piratin in eisigem Schweigen. Sie freute sich nicht, mit ihr ein Zimmer teilen zu müssen. Außerdem war das kleine Zimmer schmuddelig und sicher auch verlaust. Allerdings hatte es richtige Betten.
    In dieser Nacht fühlte Ramis immer noch den schaukelnden Rhythmus der Wellen, ihr Bett schien sich ständig auf und ab zu bewegen. Am Abend waren sie alle schweigend zu Bett gegangen, sogar Bess wollte früh schlafen gehen. Der nächste Tag würde ein langer werden. Aber Ramis konnte nicht sofort einschlafen. Sie wunderte sich, wie fremd ihr das Land geworden war. Sie hatte sich in den letzten Monaten an das Meer gewöhnt, es war zu einer Art Zuhause geworden. Das Meer gehörte niemandem, auch wenn die Nationen anderer Meinung waren, doch das Meer konnte gar niemandem gehören. Wer errichtete schon Häuser und Zäune auf dem Wasser, um seinen Besitz zu markieren? Und dadurch fühlte Ramis sich dort weniger wie ein Eindringling, weniger als Fremde, die kein Recht hatte, dort zu leben. In London war es schwer gewesen zwischen all den Menschen, die nicht erst herausfinden mussten, wer sie waren und wohin sie gehörten: sie wussten, wer ihre Eltern waren. Ramis dagegen trieb wie eine entwurzelte Pflanze dahin; die Ramis, an die sie gerne glauben wollte, war nur eine Illusion, ein abgebrochenes Stück von etwas Ganzem. Oh ja, wer auch immer sie vorher gewesen war, er war tot, doch konnte eine Pflanze ohne ihre Wurzeln leben? Manche waren fähig, neue zu bilden, manche allerdings nicht. Sie waren zum Sterben verurteilt. Ramis konnte nicht sagen, zu welcher Kategorie sie gehörte, sie hatte nicht das Gefühl, irgendwo Wurzeln geschlagen zu haben, aber sie lebte auch noch. Vielleicht konnte man Menschen eben nicht mit Pflanzen vergleichen. Jedenfalls waren diese Empfindungen auf See weniger stark, zwischen all diesen unterschiedlichen Menschen aus allen Ländern. Es schmerzte Ramis aber auch, weil ihr klar wurde, dass sie auch jetzt das Gefühl nicht ganz bannen konnte. Niemals würde es vergehen, außer vielleicht, wenn sie erfahren würde, wer ihre Eltern waren. Doch auch so sehr sie genau das versucht hatte, es war nicht erfolgreich gewesen. Ihre Gesichter blieben im Dunkeln. Es war schlimm, unter etwas Unbekanntem zu leiden und so sinnlos.
    Ich muss die einzige in einem Umkreis von vielen Kilometern sein, die sich jeden Abend den Schlaf rauben lässt, weil sie von Gespenstern verfolgt wird.
    Wenn sie so den ruhigen Atemzügen um sich herum lauschte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass irgendetwas Edward oder Bess bedrückte. Aber anscheinend besaßen nur wenige Auserwählte die zweifelhafte Eigenschaft, sich von Sorgen jeglicher Art den Schlaf rauben zu lassen. Und selbst bis in den Schlaf, sollte er je eintreten, verfolgten sie Ramis. Während ihre Gedanken immer träger wurden, schlief sie schließlich ausgerechnet über diesen Überlegungen ein, eine seltene Gnade für sie.
    Gewohnheitsmäßig wachte sie am nächsten Morgen früh auf. Bess war schon weg, wie sie feststellte, nur Edward schlummerte noch. Wenn er schlief, sah er viel jünger aus, wie ein kleines Kind eben.
    Wäre er doch auch manchmal im Wachen so! Fühlt jede Mutter so, wenn ihr Kind erwachsen wird? Aber Edward ist doch erst neun !
    Ramis wunderte sich ein wenig über ihre Gedanken. Edward war zwar viel zu reif für sein Alter, aber sie hatte nicht geahnt, dass sie fürchtete, er würde viel zu früh erwachsen.
    Lügnerin! Du weißt, dass du Angst davor hast, dass er dich eines Tages

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